Bernhard Sonntag: „Das Studium kann Alles und Nichts sein“

Projektbeschreibung

Bernhard Sonntag, Vorstandsreferent der „Austria Presse Agentur“ (APA), diskutierte mit Antonella Bacher und Lisa Schinagl über falsche Erwartungen ans Studium, die Tücken des Perfektionismus und seinen zentralen inneren Motor, immer etwas dazulernen zu wollen.

 

Können Sie sich noch erinnern, was sie vor ungefähr 10 Jahren werden wollten?

Ich kann mich erinnern. Ganz am Anfang wollte ich mich Richtung Journalismus entwickeln. Das hat sich dann zum Glück relativ schnell gewandelt, weil es mit dem Studium nicht so viel zu tun hat, außer man möchte unbedingt Medienjournalist sein oder in diese Richtung schreiben. Ansonsten ist es ja eine Management-Ausbildung, was für mich dann viel spannender war. Der Studiengang war in meiner Wahrnehmung nicht so positioniert oder auch von der Kommunikation nicht so perfekt abgegrenzt. Zu meiner Zeit wurde er mit Management, aber auch mit Kommunikationsmanagement beworben. Diese Schnittstelle zwischen den einzelnen Wissenschaften habe ich dann für mich selbst mehr in diese journalistische Schiene ausgelegt.

 

Das ist heute meiner Meinung nach auch noch so. Das Bild von der Journalismus-Ausbildung ist sehr präsent.

Ja, vielleicht ist das auch Absicht. Inzwischen bin ich der Meinung, dass man alles andere studieren sollte außer Publizistik, wenn man etwas im Medienbereich machen möchte. Damals gab es neben Publizistik nicht viel, was in die Richtung gegangen wäre und von dem her war der Studiengang vielleicht auch bewusst in diese Richtung positioniert.

 

Wie kann man Sie sich als Student vorstellen? Wie war Ihre Studienzeit?

(Lacht) Ich komme aus Korneuburg in Niederösterreich. Ich bin immer gependelt, also habe ich das wirkliche Studentenleben in St. Pölten, wo es glaube ich ganz coole Veranstaltungen gegeben hat, gar nicht so mitbekommen. Das ist auch wichtig beim Studium. Freilich nicht das Hauptding, aber wenn man das Studentenleben genießen will, ist es sicher einfacher, wenn man dort wohnt.

Ansonsten bin ich immer brav bei den ganzen Lehrveranstaltungen gewesen, vielleicht ein bisschen streberhaft sogar (lacht). Ich kann nicht von allen behaupten, dass sie da waren bei den Vorlesungen, ich habe aber schon versucht, die Zeit auch dort zu nutzen. Die meisten Veranstaltungen waren auch interessant, also ich bin auch gern dabei gewesen. Wir hatten es fein, weil unsere Lehrbeauftragten ihre Verbindungen in die Wirtschaft oft spielen haben lassen. Sie haben dann Leute von Zeitungen, Radios und auch TV-Sendern geholt. Ich fand es wirklich spannend, Leute über die man sonst nur liest aus dem „Horizont“ oder anderen Fachzeitschriften, auch tatsächlich mal sprechen zu hören, sie fragen zu können oder persönlich kurz mit denen zu plaudern. Es war nicht jede Veranstaltung so, das muss man auch sagen, es gibt dann auch noch Rechnungswesen und solche Inhalte (lacht).

 

Ja, der Praxisbezug an der FH ist schon sehr wertvoll. Gibt es Projekte, die Sie geprägt haben oder die Ihnen jetzt als erstes einfallen, wenn sie zurückdenken?

Wir hatten die Lehrveranstaltung „Forschungslabor“, wo wir uns ein Projekt aussuchen konnten. Es gab damals – also vor rund 15 Jahren – als Technikausrüstung an der FH Augensensoren, die am Bildschirm angebracht waren. Das ist heutzutage in jeder X-Box drinnen, aber damals war es spektakulär, zumindest für mich (grinst). Wir haben dann verschiedene Werbesujets ganz leicht adaptiert, die Werbebotschaft mal links oben, mal rechts unten. Auf dem Niveau haben wir dann den Blickverlauf getestet und erprobt, wo es effizienter ist, die Werbebotschaft zu platzieren. Das ist ein ganz simples Beispiel, aber mich hat das damals beeindruckt, weil man ja ansonst immer nur die Leute abfragt: „Können Sie sich an das erinnern?“ Obwohl das System auch seine Macken gehabt hat, konnte man auch technisch abbilden, wo die Leute hinschauen. Das habe ich davor nicht gekannt in der Form.

 

Hatten Sie besondere Erwartungen an das Studium und haben sich diese in der Retrospektive erfüllt?

Im Prinzip hatte ich – wie schon gesagt – die falschen Motive hinzugehen. Die ursprüngliche Erwartung, dass ich Journalist werde, hat sich nicht erfüllt. Was aber gut ist im Nachhinein.

Ich habe den Titel des Studiengangs ein bisschen irreführend gefunden, weil er in gewisser Weise auch suggeriert, dass man nach Abschluss Medienmanager*in ist. Das ist ein recht breiter Ausdruck, aber für mich ist ein/e Medienmanager*in jemand, der oder die ein Medienunternehmen leitet. Es ist eine falsche Erwartungshaltung, dass man fertig studiert und dann ein Medienunternehmen leiten kann. Außer man gründet selbst eines und ist ein Ein-Personen-Unternehmen, dann geht das natürlich schon. Aber für mich sind Medienunternehmen eher im klassischen Sektor beheimatet, also Zeitungen, Radio und Fernsehen und natürlich Onlineunternehmen.

Das Studium kann Alles und Nichts sein. Das klingt vielleicht böse, aber ich glaube, man muss sich in eine gewisse Richtung spezialisieren, um auch wirklich etwas daraus machen zu können. Ansonsten hat man einen guten Überblick über das Thema „Medien und Management“ an sich, aber man weiß halt auch von keinem Thema wirklich viel.

 

Würden Sie das Studium noch einmal machen?

Aus heutiger Sicht nicht. Aber das kann ich jetzt leicht sagen, weil ich schon das mache, was ich jetzt mache. Wenn man das Studium mit dem Ziel, ein Medienunternehmen zu leiten, absolviert, dann ist es mit 19 oder 20 Jahren ein bisschen zu früh dafür. Viele Dinge die ich damals gelernt habe, Rechnungswesen als Beispiel, habe ich – ziemlich genau zehn Jahre – gar nicht gebraucht. Aber je weiter man sich dem Ziel „Medienmanager*in“ annähert, umso mehr benötigt man es wieder. Was auch der Grund ist, warum viele Leute MBAs machen. Wenn ich zurückreisen könnte, würde ich zuerst etwas anderes studieren und bei gleicher Karrierelaufbahn zum jetzigen Zeitpunkt oder vor fünf Jahren dieses Studium machen. Dann würde es mehr bringen, als mit 19 oder 20.

 

Verständlich. Ich kann mir ganz gut vorstellen, dass manches in ein paar Jahren dann doch ganz nützlich ist, was man jetzt vielleicht im Unterricht überhört.

Absolut. Ich nenne immer wieder das Beispiel Rechnungswesen. Ich finde es jetzt noch immer ein bisschen schade, dass ich nicht besonders gut aufgepasst habe damals. Ich habe mich irgendwie durchgewurschtelt durch das Fach und könnte einiges davon jetzt ganz gut brauchen.

 

Das Thema Ihrer Abschlussarbeit war „Mobiles Internet im Medienzeitbudget“. Wie sind Sie damals auf dieses Thema gekommen?

Das war ein Zufall. Ich hatte Jan Krone als Betreuer, was mich sehr gefreut hat, weil ich ihn auch als einen der kompetentesten Lehrbeauftragten, die ich kenne, wahrgenommen habe. Ich schätze ihn sehr und es hat mich dann auch sehr gefreut, dass er meine Arbeit betreut hat. Wir hatten Masterseminare, wo die Arbeiten durchgesprochen worden sind. Ich wollte ursprünglich über etwas anderes schreiben und er hat dann relativ prominent, vor allen anderen, mein Konzept vernichtet und das zwei Monate vor Abgabetermin. Da bin ich dann nervös geworden und habe ihn gefragt, was er für Ideen hätte. So sind wir im Gespräch auf dieses Thema gekommen. Es hat mich sehr interessiert damals, ich habe mich auch beruflich damit beschäftigt. Und es war auch recht praktisch mit einer quantitativen Onlineumfrage. Es war schon ein Aufwand, die Daten auszuwerten, aber es war ein kleiner Theorieteil mit einem größeren Praxisteil – also innerhalb der verbleibenden zwei Monate nicht unrealistisch zu schaffen. Die Erkenntnisse dieser Arbeit waren gerade für den Mobilfunksektor, der sich unglaublich schnell bewegt bzw. damals noch viel schneller als jetzt, drei Monate oder sechs Monate aktuell und danach einfach fürs Archiv. In Summe ist das egal, denn das Ziel ist ja nicht, eine Dissertation zu schreiben, die dann zwanzig Mal zitiert wird, sondern die Methodik zu lernen und sich unter Beweis zu stellen im wissenschaftlichen Arbeiten. Die Erwartungshaltung, dass man den großen Wurf tätigt ist auch die falsche.

 

Sie hatten ja bereits ein Praktikum bei der APA gemacht. War das dann auch der Grund, warum Sie nach Studienabschluss eine Festanstellung erzielt haben?

Gut recherchiert (lacht). Das Praktikum war eine super Gelegenheit, um in die Praxis reinzuschnuppern und wenn man sich bewährt hat, dann wirklich einzusteigen. Umgekehrt ist so ein Praktikum auch eine gute Chance für Firmen. Zumindest wir in der APA sehen es so, dass es eine Talenteschmiede sein kann: Man kann dabei schon feststellen, ob jemand die Aufgabe, die man ihm oder ihr stellt, auch lösen kann und sich bemüht, die Sache gut zu machen. Dann wird man auch versuchen, die Person etwas länger zu binden, wenn das auf gegenseitigem Interesse beruht. Ich habe damals meine Praktikumsstelle ein oder zwei Monate verlängert und bin dann zu einer anderen Firma gewechselt, die auch im Nachrichtenagentursektor tätig, aber internationaler orientiert ist. Das hat mich damals mehr interessiert und war auch leichter mit meinem Studium vereinbar, weil ich ja noch den Master angeschlossen habe.  Ich habe während des gesamten Masterstudiums bei dieser Firma gearbeitet. Zurück zur APA bin ich erst wieder im Juli 2016. Es war sicher damals praktisch, die Leute von früher noch zu kennen. In Summe war es ein guter Einstieg in die Branche damals.

 

Haben sich Ihre Vorstellungen von der tatsächlichen Arbeit durch das Praktikum verändert?

Mich hat der Job in einer Nachrichtenagentur schon während des Studiums fasziniert. Ab und zu kamen Gastvortragende von der APA an der FH, die haben die ganze Unternehmung sehr überzeugend und sehr sinnstiftend präsentiert. Schon damals ist sie mir als eine der sinnvolleren Firmen vorgekommen, in denen man in der Medienbranche arbeiten kann. Mir ist es bei meiner Arbeit immer sehr wichtig, auch einen Sinn dahinter zu sehen. Ich meine damit nicht nur die Tätigkeit an sich, sondern auch das gesamte Unternehmen. Das klingt jetzt ein bisschen pathetisch, aber es sollte ein größeres Ziel, eine Motivation da sein, warum man mitarbeiten möchte. Was das größere Ziel und der Beitrag zur Gesellschaft hinter der APA ist, wurde mir im Studium schon recht eindrücklich präsentiert. Danach im Praktikum habe ich in der Marketingabteilung gearbeitet und mich sehr reingetigert in die Firma und ihre Tätigkeiten.

 

Sie haben es schon angedeutet, aber welche verschiedenen Tätigkeitsfelder hatten Sie schon inne im Job?

Meine einzelnen Jobs hatten immer ganz viele Aspekte, auch jetzt wieder. Am Beginn war das Praktikum im Marketing der APA, da habe ich ein Marketingkonzept ausgearbeitet. Das war eher theoriegeleitet, da war die FH ein guter Hintergrund, weil man da noch die ganze Literatur präsent hatte. Dann habe ich in der internationalen Firma „MINDS International“ zuerst als Researcher gearbeitet und auch von der FH profitiert. Ich habe mir Trends im Mediensektor auf internationaler Ebene angesehen, habe Reports dazu geschrieben und versucht, diese Trends wie Citizen Journalism oder – wie es damals auf Englisch hieß – Hyperlocal Content in Hinblick auf die Nachrichtenagenturen zu analysieren. Das Netzwerk für das ich tätig war, war ein globales Netzwerk für Nachrichten. Man kann sich das vorstellen wie den „Verband Österreichischer Zeitungen“ (VÖZ) für Zeitungen, nur eben auf globaler Ebene für Nachrichtenagenturen. Das habe ich ein bisschen mehr als zwei Jahre gemacht, nach dem Studium bin ich Vollzeit eingestiegen in die Firma und habe den Research-Bereich übernommen und eben das mit ein paar Mitarbeiter*innen weitergeführt. Wir haben monatlich Newsletter zusammengestellt mit den relevantesten Themen für die Entscheidungsträger*innen in den Nachrichtenagenturen. Dazu kamen einzelne Projekte, größtenteils Vernetzungsarbeit zwischen Abteilungen innerhalb der Nachrichtenagenturen. Innerhalb der Nachrichtenagenturen gibt es ja nicht nur Redakteur*innen, sondern auch zum Beispiel eine Plattform, von der Presseaussendungen verschickt werden, es gibt Pressespiegel, Grafikabteilungen usw., und wir haben die jeweiligen Fachabteilungen vernetzt. Zum Beispiel die Infografiker*innen aus Japan, Australien und Österreich, um zu schauen, was jetzt gerade technisch aktuell ist und was man voneinander lernen kann. Das waren Projekte, die sehr spannend waren für mich. Dann haben wir zwei Mal im Jahr Konferenzen veranstaltet, also ist es auch ein bisschen ins Eventmanagement gegangen. Aus der ganzen Welt waren es damals 22 Partneragenturen und wir haben auf Einladung einer Partneragentur eine Konferenz im jeweiligen Land veranstaltet. Nachdem ich immer international interessiert war, war es ein sehr spannender Jobeinstieg. Ich habe Konferenzen in Tokio, New York, Moskau, Madrid, Brüssel, Paris, Berlin und Stockholm veranstalten dürfen mit den Nachrichtenagenturen und ihren Entscheidungsträgern. Spannend damals wegen der Orte, an denen ich vorher noch nicht war und auch mit diesen Menschen, weil sich so der/die Chefredakteur*innen, der/die Geschäftsführer*innen und der/die technischen Leiter*innen auf dieser Ebene getroffen haben. Mich mit denen schon in meinen jungen Jahren austauschen zu können, war sehr bereichernd und lehrreich.

Was habe ich noch gemacht? Ich habe bei Ausschreibungen koordiniert. Im Wesentlichen schreibt jede internationale Organisation immer wieder gewisse Dienstleistungen aus und das sind öfter auch mediale Dienstleistungen. Es gab damals zum Beispiel eine Ausschreibung für die Lieferung von Videobeiträgen aus dem europäischen Raum aus definierten Ländern. Nachdem wir eine Art Dachorganisation waren, haben wir zwischen den einzelnen Mitgliedsagenturen koordiniert, dass diese zehn Agenturen an der Ausschreibung gemeinsam teilnehmen. Und wir haben das zentral mit einzelnen Vertreter*innen dieser Agenturen auch verfasst, das sind ziemliche monumentale, 80-seitige Dokumente teilweise (schmunzelt).

Jetzt bin ich als Vorstandsreferent im Büro der APA Geschäftsführung tätig und mache wieder etwas ganz Anderes. Ich beschäftige mich schwerpunktmäßig mit der Gremienarbeit, das umfasst den Vorstand, den Aufsichtsrat und die Generalversammlung. Ihr werdet wissen, die APA ist eine Genossenschaft und da treffen sich die Mitglieder der Genossenschaft mindestens vier Mal im Jahr und entscheiden über den Geschäftsverlauf und das weitere Vorgehen. Das organisiere ich jetzt. Weil ich im Büro der Geschäftsführung tätig bin, beschäftige ich mich viel mit Konzernprojekten. Also es gibt nicht nur die Redaktion, sondern eben auch andere Tochterfirmen, und dann gibt es Projekte, die nicht nur für eine von diesen Firmen interessant sind, sondern übergreifend über verschiedene Bereiche ablaufen. Da ist es immer wichtig, auch eine koordinierende Stelle zu haben, die dann wieder als Schnittstelle zur Gesamtgeschäftsführung tätig sein kann. Und zusätzlich erledige ich sehr viel inhaltliche Begleitung für den Geschäftsführer, da geht es um Controlling-Tätigkeiten, um alle möglichen Formen von Reporting aufzubereiten. So ganz kurz zusammengefasst, die Liste würde noch ziemliche lange so weiter gehen (lacht).

 

Das klingt sehr vielfältig. Was würden Sie sagen ist das Beste an Ihrem Job aktuell?

Im Moment gefällt es mir, dass ich wieder Leute treffe (lacht). Wir waren jetzt lange zuhause, mehr als ein Jahr im Endeffekt, mit mehreren Abstechern ins Büro, was erstaunlich gut geklappt hat. Aber ich mag es sehr gerne, mit Leuten im Kontakt und die Schnittstellenfunktion zu sein. Zur Geschäftsführung hin, wo ich mit verschiedenen Leuten im Haus und auch von außerhalb – anderen Nachrichtenagenturen oder Medien in Österreich – zu tun habe, von denen man etwas dazulernen kann. Das kann in verschiedenen Funktionen – als Verkäufer, im Marketing, in der Redaktion – und zum Glück auch in meiner Funktion passieren.

 

Und die Gegenseite: Was würden Sie sagen ist die größte Challenge in Ihrem Beruf?

Ich versuche immer Dinge noch effizienter zu machen, also zu perfektionieren. Etwa bei der Gremienarbeit, die ich schon erwähnt habe. Da ist es so, dass diese vier Gremiensitzungen pro Jahr zu fixen Zeitpunkten stattfinden und obwohl die Themen anderes sind, ähneln sie sich doch. Ich habe da jetzt einen Punkt erreicht, an dem man die Effizienz nicht mehr steigern kann. Ich ticke so, wenn es immer das Gleiche ist, wird es mir langweilig. Die Challenge ist also, dass man Aspekte sucht oder neue Projekte findet, die wieder etwas Neues oder Spannenderes haben. Ich habe immer den Drang auch dazuzulernen.

Wenn ich mich umschaue in meinem FH-Jahrgang, ist es die große Ausnahme, dass ich bis jetzt zwei Arbeitgeber hatte. Viele Kolleg*innen, die in die Werbebranche gegangen sind haben sicher schon zehn Mal gewechselt. Das hat sicher auch den Grund, dass es irgendwann langweilig geworden ist. Ich werde es wahrscheinlich nicht wie ein Japaner machen und 40 Jahre in der gleichen Firma sein, aber ja, das Neue zu suchen und zu finden, ist eine große Herausforderung.

 

Lassen Sie uns noch ein bisschen über die Medienzukunft reden. Zum einen, wie haben Sie die Medienbranche in Ihrer Studienzeit erlebt?

Was damals sehr aktuell war – warum der Studiengang wohl überhaupt ins Leben gerufen wurde –, war dieser Transformationsbedarf der klassischen Medienhäuser. Man wollte junge Leute in die Unternehmen holen, die qualifiziert sind und die eine sehr gute Allgemeinbildung haben, sodass sie überall einsetzbar sind. Bei mir war es so beim Einstieg im Research-Bereich, dass die Sicht der langgedienten Medienleute schon sehr einseitig war. Ich war auf vielen Konferenzen unterwegs in Österreich wie international und man hat sich konstant ins Grab geredet. In etwa: Jetzt kommen zum Beispiel „BuzzFeed“ oder andere neue Player auf den Markt und dann kann es nur mehr Stunden dauern, bis die alten Medien verschwinden. Man war sehr gut darin, die gesamte Branche schlecht zu reden und ist es glaube ich teilweise noch immer. Aber es ist besser geworden. Letztendlich gibt es ja noch kein finales Ergebnis mit den Sozialen Medien, um zu wissen, wie man sich positioniert, auch aus rechtlicher Sicht. Mir kommt es dennoch vor, als wäre eine positivere Grundstimmung da.

Seit ich bei der APA bin, ist die Genossenschaft um zwei Mitglieder geschrumpft, zwei klassische Zeitungen haben nicht überlebt. Man sieht damit: Die Transformation war   vergleichsweise mit anderen Märkten klein. Aber es gibt das Mediensterben eindeutig, wenn man etwa nach Amerika und Großbritannien schaut. Da gibt es sehr große Bewegungen. In Österreich ist es so etwas wie eine geschützte Werkstätte: Alles entwickelt sich langsamer, was den Vorteil hat, dass man sich besser darauf einstellen kann als klassisches Medium. Deswegen sehe ich es nicht mehr so negativ, wie es früher transportiert wurde. Ich glaube, dass man extrem aufpassen muss als Medium und sich immer weiterentwickeln sollte. Man muss immer nach neuen Geschäftsfeldern Ausschau halten, um eine unabhängige Redaktion bleiben zu können. Eine gewisse positive Grundhaltung ist aber immer etwas Gutes, trotzdem sollte man achtsam sein. Bei Print sieht man, selbst bei sehr großen Zeitungen, dass es mit den Auflagenzahlen nach unten geht. Aber die Frage ist, wie weit. Ich glaube nicht, dass Printmedien verschwinden. Viele lesen ja E-Paper am Tablet, und das ist schön für die Medien, das bringt wieder Geld, um auszubauen, um alles aufrecht erhalten zu können.

 

Muss sich die APA umstellen oder sich weiterentwickeln?

Ja, das müssen wir und das tun wir auch die ganze Zeit. Es ist so, dass die genossenschaftliche Form international ein Sondermodell ist. Diese Rechtsform gibt es nicht allzu oft. Vom Prinzip her ist es so, dass die Anteile an der Firma von verschiedenen Medien im Land gehalten werden. Die Medien besitzen Anteile und daraus resultiert die Unabhängigkeit. Zu den Eigentümern zählen etwa der „STANDARD“, der ein bisschen weiter links positioniert ist oder „Die Presse“, die ein bisschen weiter rechts positioniert ist, usw. Vom Boulevardblatt bis zu den Regionalzeitungen sind alle dabei und um den allen genügen zu können, muss man eine gewisse Neutralität an den Tag legen. Ich glaube persönlich nicht an Objektivität, aber ich denke, es gibt Kriterien, an die man sich annähert und an die man sich halten muss, sonst wird man entweder vom „STANDARD” oder der „Presse“, wenn wir bei dem Beispiel bleiben, irgendwann mal eine drüber kriegen. Diese Eigentümerstruktur ist ein Garant dafür, dass man als Redaktion unabhängig agieren kann. Das ist historisch gewachsen und etwas Wertvolles, hat auch Vor- und Nachteile, aber auf der redaktionellen Ebene garantiert es Unabhängigkeit.

Wenn man international Ausschau hält, gibt es aktuell sehr viele Beispiele, wo es nicht so gut läuft. Das ist meistens der Fall bei Agenturen, etwa wenn man nach Slowenien schaut, wo die Agentur 100% im Staatsbesitz ist und diese der derzeitigen Regierung nicht genehm ist. Ich kenne die slowenische Innenpolitik nicht, ich lese nur die Berichterstattung zwischen dem Agenturmanagement und der Regierung, und jetzt hat die Regierung die Zahlungen eingestellt. Die bekommt kein Geld mehr und muss aber die Leute finanzieren, steht kurz vor dem Bankrott und hat sogar eine Spendenaktion gestartet, damit man die Gehälter weiterzahlen kann. Das sind Entwicklungen, die sehr bedenklich sind. Da finde ich das genossenschaftliche Modell wesentlich tauglicher und nachhaltiger, wenn auch nicht makellos.

Von dem her sind wir gut aufgestellt. Man darf tatsächlich nicht rasten in dem Bereich, sondern muss sich weiterentwickeln und neue Geschäftsfelder aufmachen. Das klassische Mediensegment als klassische Einnahmequelle ist noch immer stark in Österreich. Wir schauen aber schon, dass wir auch stark in anderen Bereichen wachsen, etwa im privaten Bereich bei Unternehmen, da IT-Dienstleistungen anbieten, für Medienunternehmen, aber auch für andere. Wir versuchen auch bei Organisationen oder auch Regierungsorganisationen Dienste zu verkaufen. Wir sind keine Gratisdienstleister, sondern sehr kommerziell orientiert und wollen neue Kunden erschließen, die Wachstumsmärkte sind jetzt im Firmenbereich.

 

Sehr spannend. Davon haben wir auch in Medienbetriebswirtschaftslehre gesprochen, toll, dass das auch die Praxis ist. Dann abschließend von mir noch eine Frage: Was würden Sie uns Medienmanagement-Student*innen raten, außer Rechnungswesen gut zu lernen?

(Lacht) Das, was ich am Anfang gemeint habe mit einer gewissen Spezialisierung. Ich weiß nicht, ob es möglich ist, dass ihr nebenher ein bisschen in Unternehmen reinschnuppert. Ich glaube, mir hätte es persönlich geholfen bei der Orientierung, wenn ich verschiedene Unternehmen kennengelernt hätte, einfach auch um zu sehen, das gefällt mir, oder das kann ich ausschließen. Das ist sehr hilfreich, um sich selbst ein bisschen kennenzulernen und sich in eine Richtung zu spezialisieren. Das Spektrum ist sehr groß im Studium und das ist auch sehr wichtig. Man sollte auch nachher versuchen, im Mediensektor ein bisschen Schritt zu halten und schauen, was sich so tut am Markt. Aber ich glaube trotzdem es ist von Vorteil, wenn man ein oder zwei Bereiche hat, wo man in der Tiefe dann auch gut ist. Nachher im Beruf ist man vielleicht schon mit der Wohnung gebunden oder man hat Kinder. Dann ist es schwieriger so etwas herauszufinden. Ich glaube, je früher man so eine Orientierung im Leben erreichen kann, umso einfacher wird der weitere Weg.

 

Wir haben jetzt am Schluss noch einen Word-Rap vorbereitet. Ich werde Ihnen den Anfang eines Satzes vorlesen und Sie vollenden den dann. Wenn ich eines an der Medienbranche verändern würde, dann wäre es…

Ich würde die Vielfalt erhöhen in der Medienbranche, weil ich glaube, dass es demokratiepolitisch wertvoll ist, verschiedene Perspektiven zu haben. Alle politischen Richtungen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben haben ihre Berechtigung und sollten medial abgebildet werden, dann kann jede/r sich suchen, was er oder sie gerne sehen oder lesen will. Ich glaube, dass mehr Diskurs generell wertvoll wäre und dass eine erhöhte Vielfalt etwas Wünschenswertes ist.

 

Wenn ich nicht bei der APA arbeiten würde, dann wäre ich…

.. ich weiß es nicht. Es gefällt mir gut hier und ich möchte aktuell nirgendwo anders sein. Dennoch halte ich Selbstständigkeit als Modell für eine sehr attraktive Option. In der Medienbranche machen das ja sehr viele, die jahrelang in einem Medienunternehmen gearbeitet und Erfahrungen gesammelt haben. Ich finde den Gedanken attraktiv, mein eigener Chef zu sein. Aber da fehlt mir aktuell noch das Geschäftsmodell dazu, wenn ich das habe, werde ich das machen (lacht).

 

Wenn ich heute 10 Millionen Euro im Lotto gewinnen würde, dann würde ich…

Ich würde mir ganz egoistisch für meine Familie und mich ein Häuschen irgendwo im Grünen kaufen (lacht). Aber dann auch nach wie vor versuchen, das Leben sinnvoll zu gestalten. Ich würde nicht aussteigen, sondern weiterhin einen sinnvollen Job machen wollen.

 

Am Schluss noch das absolut Schwierigste. Wenn ich mich zwischen Schokolade und Kaffee entscheiden müsste, dann wähle ich…

Ich habe mich schon öfter entschieden, weil ich schon öfter in der Fastenzeit Süßes gefastet habe. Habe es aber nie geschafft Kaffee zu fasten, also würde ich mich für Kaffee entscheiden.

 

 

Dieses Interview entstand zur Feier des 25-jährigen Jubiläums von BMM im Rahmen von MMF I.

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