Gehörloses Radio

Projektbeschreibung

In Österreich leben ca. 450 000 Menschen mit einer Gehörbehinderung – und davon sind ca. 10 000 komplett gehörlos. (1) Mit welchem Gefühl gehen diese Menschen durch das Leben? Wie erleben diese Menschen die heutigen Medien? Und wie fühlt sich das paradoxe Medium Radio für Gehörlose an? Wir waren zu Gast in der Dauerausstellung „HandsUp“ in Wien. In dieser Ausstellung wird man der Welt von Gehörlosen nähergebracht. Neben einer kurzen Führung fingen wir auch die Eindrücke anderer Besucher*innen ein. Könnte man ein Gehörlosen-Radio in Österreich starten? Wie sieht der Markt in diesem Bereich aus? Kann dieser Sender auch wirtschaftlichen Erfolg genießen? All diese Fragen werden in der Podcast-Folge „Gehörloses Radio“ geklärt!

 

Dieser Podcast wurde in einer Lehrveranstaltung in Kooperation mit Ö1 produziert.
Abruf über Community Broadcast Archiv cba.fro.at

 

 

Skriptum zu „gehörloses Radio“
Einleitung
Tobias: Gehörlose können doch eh einfach Lippenlesen.
Patrizia: Gehörlose haben es doch in der heutigen Zeit sehr einfach.
Tobias: Gehörlose können alle Medien im heutigen Zeitalter easy konsumieren.
– Pause –
Patrizia: Wir sind Studierende der Fachhochschule St. Pölten und diese Aussagen stimmen in dieser Form einfach nicht. In Österreich leben ca. 450 000 Menschen mit einer Gehörbehinderung – davon sind ca. 10 000 komplett gehörlos. Auf welche Hürden diese Menschen dann tagtäglich treffen, und vor allem in welchen Teilen noch Aufholbedarf besteht, haben wir für Sie in diesem Beitrag aufbereitet.
Um als Hörende und Hörender einen besseren Einblick in das Leben gehörloser Menschen zu bekommen, besuchten wir die Ausstellung „Hands Up“ in Wien. Diese Erlebnisausstellung nimmt Besucherinnen und Besucher auf eine spannende Reise in die Welt der Stille mit. Ziel dieser Ausstellung ist es, die Berührungsängste gegenüber gehörlosen Menschen abzubauen und vor allem Brücken zwischen der Welt der Hörenden und der Gehörlosen zu schaffen.
– Pause –
Tobias: Stille. Keine Worte und keine Musik. So hört sich nämlich Radio für Gehörlose an. 196 Minuten1 hören Österreicherinnen und Österreicher jeden Tag Radio. 0 Minuten davon können Gehörlose easy konsumieren. Warum ist eine der größten Mediengattungen in Österreich nicht barrierefrei? Gibt es tatsächlich keine Möglichkeit, Radio barrierefrei zu gestalten? Eine Frage, die uns über lange Zeit beschäftigte. Bisher gab es nur vereinzelt Tage, an denen Radiosender das gesamte Programm mithilfe von Audiotranskriptionen oder visuellem Radio auch für Gehörlose konsumierbar gemacht haben. Kann ein Gehörlosen-Radio also als Marktlücke fungieren?
– Pause –

Hauptteil
Vanessa: Nach der Führung durch die Ausstellung “Hands Up” in Wien haben wir noch einige Eindrücke der Besucherinnen und Besuchern aufgenommen:
Interview Beginn
Vanessa: Was hat Sie dazu bewegt diese Ausstellung zu besuchen?
Älterer Herr: Eigentlich eine Anzeige in einem Prospekt. Und das Interesse, wie kommen diese Leute mit ihrem täglichen Leben zurecht? Hier einen Einblick zu haben und auch lernen sie verstehen zu können. Das war der Anlass, warum ich die Ausstellung besucht habe.
Jüngerer Herr: Also meine Freundin studiert Lehramt Volkschule.
Jüngere Dame: Ja genau. War ein Pflichtauftrag für eine Lehrveranstaltung. Ich habe bisher sonst nicht davon gehört. War aber sehr cool.
Vanessa: Wie haben Sie sich beim Rundgang gefühlt? Wie ist es Ihnen gegangen?
Ältere Dame: Ja unterschiedlich. Ich war überrascht wie viel man doch im Alltag mitkriegt an Mimik und Gestik. Es war erleichternd zu spüren, dass man sich manchmal auch anders ausdrücken kann. Und nicht nur die Sprache braucht.
Jüngerer Herr: Prinzipiell würde man sich hilflos fühlen, aber mit einem Guide ist es leiwand, dass man auch mal sieht wie das ist. Jüngere Dame: Voll ungewohnt eigentlich. Teilweise merkt man es eigentlich gar nicht so im Alltag wie oft man das dann doch braucht. Vanessa: Was von der Führung ist Ihnen in Erinnerung geblieben, also was war besonders einschneidend?
Älterer Herr: Eigentlich die Gebärden, wie „Danke“ und „liebhaben“ – also das Streicheln über die Wange. Das war sehr eindrucksvoll. Dieses Zeichen für „danke“ war für mich sehr eindrucksvoll. Und ganz im Allgemeinen freut mich, dass die Gehörlosen eigentlich sehr komplett kommunizieren können. Und das habe ich heute gelernt und gesehen.
Jüngerer Herr: Das mit der Musik, das fand ich ganz arg. Die Vibrationen.
Jüngere Dame: Ja wirklich! Wir sind beide eigentlich eher musikalisch, deshalb ist das so schlimm gewesen, weil man eigentlich nichts merkt – also kein Lied erkennt.
Vanessa: Haben Sie Gehörlose in Ihrem Familien- oder Verwandtenkreis?
Ältere Dame: Nein, überhaupt nicht. Wir haben keine Erfahrung. Älterer Herr: Ich bin der Einzige. *lacht*
Ältere Dame: Mach keine Witze!
Jüngere Dame: Ja, mein Onkel und meine Tante sind beide gehörlos. Vanessa: Werdet ihr in Zukunft anders auf gehörlose Personen reagieren, falls ihr das mitbekommen würdet?
Patrizia: Beziehungsweise wie handhabt ihr das in eurer Familie? Jüngere Dame: Bei uns kann erschreckenderweise keiner die Gebärdensprache. Nur die beiden. Deswegen lerne ich sie jetzt auch. Das war der Grund für meine Lehrveranstaltung. Vor allem jetzt mit der Maske ist es schwierig im Alltag.
Jüngerer Herr: Der Onkel kann ziemlich gut Lippenlesen.
Jüngere Dame: Er hat das ziemlich gut geübt, weil er uns eben kennt. Deshalb reden wir einfach sehr deutlich und er versteht das meiste auch. Das bringt halt auch wenig, weil ich ihn so schlecht verstehe. Ich glaube, da ist schon sehr viel Empathie notwendig um sich da irgendwie zusammen zu finden.
Interview Ende
Vanessa: Außerdem haben wir nachgefragt ob und wie die Besucherinnen und Besucher mediale Barrieren heutzutage wahrnehmen, und ob ihnen diese überhaupt auffallen.
Interview Beginn
Vanessa: Was sagen Sie dazu das große Medien oft nicht barrierefrei sind, also auch Homepages oft nicht oder eben Radio per se an sich nicht?
Jüngerer Herr: Ja, bis jetzt habe ich nie darüber nachgedacht. Jüngere Dame: Mir ist es schon aufgefallen, weil wir es eben auch im Studium und auch in meiner vorigen Ausbildung öfters behandelt haben und es ist eigentlich auch so im Internet eigentlich ziemlich schlimm, wie wenig da barrierefrei eigentlich ist.
Interview Ende
Genia: Nach unserer Führung sind wir dann kurz in uns selbst gegangen und haben begonnen zu reflektieren was wir durch diese Erfahrung gelernt haben und wie wir uns dabei gefühlt haben. Ich persönlich habe mich sehr hilflos gefühlt. In der Welt der Hörenden spreche ich einfach drauf los, wenn ich bei einer Führung eine Frage habe oder etwas nicht verstehe. Die Gebärdensprache ist neu für mich und so entstand eben auch eine überwindbare Barriere in der Kommunikation mit unserem gehörlosen Guide. Unserem Guide möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal kurz Danken. Er wird mich jetzt zwar nicht hören, dafür liest er vielleicht die Audiodeskription. Er ist offen auf uns zugegangen und hat es geschafft, uns eine Stunde lang durch die Führung zuleiten ohne, dass wir auf unsere Muttersprache zurückgreifen mussten. Die Führung hat mich auf jeden Fall dazu gebracht, darüber nachzudenken, ob ich nicht doch das FH Freifach „Gebärdensprache“ in Zukunft besuchen sollte, um genau diese Barrieren in Zukunft besser überwinden zu können.
Vanessa: Ich fand es ebenfalls sehr angenehm, wie geduldig der Guide mit uns umgegangen ist und dass er uns Schritt für Schritt einige Gebärden erklärt hat. Meine liebste Gebärde ist die für Katzen. Man zieht mit den Händen von der Nase weg imaginäre Schnurrhaare. Das finde ich sehr süß. Am interessantesten für mich war zu sehen, dass gehörlose Menschen Musik zwar nicht wie wir konsumieren, aber dafür spüren und somit genießen können. Patrizia: Genau, und abschließend kann ich sagen, dass mich persönlich die Ausstellung “Hands Up” sehr berührt hat und kann es jedem Menschen nur ans Herz legen, selbst auch mal in die Welt der Gehörlosen einzutauchen. Dabei fand ich es besonders faszinierend, dass die Verständigung mit unserem gehörlosen Guide dann doch viel leichter war als anfangs erwartet.
– Pause –
Schluss

Tobias: Zurück zur Anfangsfrage: Kann ein Gehörlosen-Radio nun als Marktlücke fungieren? Unserer Meinung nach gibt es kaum Konkurrenz. Der Markt in Österreich ist wenig bis gar nicht besetzt. Warum nicht einen Versuch starten und ein Gehörlosen-Radio gründen? Im Nachhinein übersetzte Radioprogramme gibt es bisher. Es fehlt also ein live übersetzter Radiosender für Gehörlose am Markt. Es fehlt auch ein visuelles Radio. Wollen Sie es probieren? Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert! Denn es ist an der Zeit, gehörloses Radio hörbar zu machen!
Vanessa: Dies war ein Beitrag von Tobias Krammer, Patrizia Bruckner, Genia Mayerböck und Vanessa Huber. Wir studieren Medienmanagement an der Fachhochschule in St. Pölten.

Verwendete Werkzeuge

  • Canva
  • Adobe Premiere Pro
  • Adobe Audition

Weitere Projetke aus dem Praxislabor