Ulrich Raab: „Aus der Emotion zum Hören, die ich zehn Jahre vermarktet habe, zur Emotion zum Schmecken“
Projektbeschreibung
Ulrich Raab, Head of Marketing International und Brand Activation bei RAUCH Fruchtsäfte, diskutierte mit Larissa Eichler und Fabian Lahninger über die herausfordernde wie bereichernde Arbeit mit Künstler*innen in der Musikbranche, seine Erfahrungen beim Branchenwechsel und seine Erinnerungen an spontane Weihnachtslieder beim Campus-Radio.
Kannst du dich noch erinnern, was du mit circa zehn Jahren werden wolltest?
Ich wollte eigentlich immer Schriftsteller oder Journalist werden. Dieser Berufswunsch hat dann dazu geführt, dass ich mit 16, 17 Jahren als Volontär bei diversen Radiosendungen mitarbeiten durfte. Daraus folgte der Gedanke: „Hey, ich möchte irgendwas mit Medien machen“ – und schließlich der Studienwunsch.
Wir haben recherchiert, dass du vor deinem Studium Medienerfahrung bei „Radio DigiHit“ sammeln durftest. Wie kam es dann zum Switch vom Journalismus zum Studium Medienmanagement an der FH St. Pölten?
Ich habe die Handelsakademie in Ybbs besucht und im Zuge dessen überlegt man sich, wenn die Matura immer näher rückt: Was mache ich, wenn dieser Lebensabschnitt vorbei ist? Ich besaß vielfältige Interessen, die in die Medienrichtung gegangen sind: Ich habe schon in der AHS daneben Geld verdient mit Websitedesign für kleinere und mittlere Firmen. Bei der Arbeit im Radio führte ich viele Interviews mit Musiker*innen und Künstler*innen – das war meine andere Leidenschaft. Es sollte also Medienarbeit sein, unklar ob gestalterisch oder wirtschaftlich. Ich habe mir dann unterschiedlichste Studienprogramme angeschaut: Das klassische Publizistikstudium war mir ein bisschen zu akademisch. Ich wollte immer einen praktischen Kern dabeihaben und habe deshalb auch technische Studiengänge angedacht. Aus diesem ganzen Bouquet an Interessen entschied ich mich für die Mischung aus Wirtschaft und Journalismus. Das war eben in St. Pölten der Fall.
Wenn du an die Zeit an der FH in St. Pölten zurück denkst: Gibt es einen Moment, der für dich am prägendsten war?
Ich habe ganz viele schöne Momente an der FH in St. Pölten erlebt – private sowie studientechnische. Wir waren damals noch in den „Glanzstoff-Villen“, da gab es den Neubau noch nicht. Wir waren 600 oder 700 Student*innen insgesamt in den Studiengängen, es war also noch sehr familiär mit starkem Zusammenhalt. Im Gegensatz zu einer Wirtschaftsuniversität, wo 20.000 Student*innen durchgehen, war das natürlich etwas ganz was anderes.
Einer der schönsten Momente, an den ich mich spontan erinnere ist sicher, als wir beim jährlichen Campus-Radio-Punschstand spontan das Studio verändert und eine Stunde Weihnachtslieder gesungen haben – die ganze „Campus & City Radio“-Crew mit der Gitarre im Schlepptau und ein paar Glühwein intus.
Das Spannende am Unterricht war diese Hands-on-Mentalität, die ja sicher jetzt auch noch drinnen ist. Vor allem in den späteren Semestern, wo man sagt: „Cool, da habe ich jetzt Projekte und die kann ich irgendwo umsetzen.“ Da ist natürlich die Infrastruktur am Campus extrem gut – immer schon gewesen und mittlerweile noch viel besser. Da kann man sich ausleben. Ich habe einmal mit Kollegen aus der Medientechnik eine Band an einem Wochenende aufgenommen. Einfach aus dem Grund, weil man solche Projekte umsetzen konnte. Praktische Erfahrung sammeln und das ist ein großer Vorteil dort gewesen.
Das ist ein guter Übergang zu deiner Abschlussarbeit. Die drehte sich um den Wandel in der Musikindustrie und uns würde sehr interessieren, wie du zu dem Thema gekommen bist und welche Erkenntnisse daraus in deiner Medienlaufbahn dann anwendbar waren.
Durch meine Tätigkeit beim Campus-Radio hat sich herauskristallisiert, dass mich das Thema Musik interessiert. Schon Ewigkeiten eigentlich, denn schon als Teenager hatte ich eine Band. Daraus entstand das Interesse an dem, was hinter der Bühne ablauft. Was ist Musikwirtschaft eigentlich, was passiert da? Auch wieder mit der Leidenschaft zum Unternehmerischen irgendwo. Ich habe über mein Praktikum bei „Warner Music“ ganz gut eintauchen können und währenddessen die Diplomarbeit geschrieben. So waren die Gedanken: Wo kann das Ganze, mit dem, was ich gelernt hab, jetzt hingehen? Wobei ich schon sagen will, dass die Diplomarbeit jetzt kein Meilenstein ist, wo man alles neu erfindet. Aber was mir schon sehr gefallen hat, ist, dass ich die Entwicklungen in der Musikbranche, die ich in meiner Arbeit postuliert habe, dann zehn Jahre lang beobachten beziehungsweise teilweise aktiv mitgestalten konnte. Manche freilich auch nicht, aber das ist der Lauf der Dinge. Damals 2006/2007 hat noch niemand mit Streaming gerechnet. Da war ja eigentlich der Treiber das Downloadgeschäft, aber man hat schon gewusst, dass alles immer digitaler wird.
Du hast ja schon über das Pflichtpraktikum bei „Warner Music“ gesprochen. Wie bist du da reingekommen und wie hast du die ersten Einblicke in die Branche gefunden?
Das war ein bisschen ähnlich wie bei meiner Studienwahl. Man weiß, jetzt muss man sich etwas überlegen, da das Studienende näher rückt: Wo liegen jetzt wirklich meine Interessen? Bei mir war das Spektrum wieder relativ breit: vom Eventmanagement bei „ProSieben“ über ein ORF-Journalisten-Praktikum bis zum Flüchtlingshochkommissariat der UNO. Auf meiner Shortlist an Interessen war auch die Musikbranche. „Warner“ hat mir damals sehr gefallen, weil viele Künstler – etwa „Red Hot Chili Peppers“ oder „Green Day“ – mich persönlich sehr angesprochen haben. Durch meine jahrelange Tätigkeit beim Campus-Radio, und dabei auch die Redaktionsleitung für ein Jahr, habe ich diese Plattenfirmenleute gekannt. Mit denen hat man immer die Interviews ausgemacht. Deshalb hatte ich einen Kontakt bei „Warner“ angerufen und gefragt: „Wie schaut es aus bei euch, gibt es für mich eine Möglichkeit irgendetwas zu machen?“ Er hat gesagt: „Naja, schick‘ mir die Bewerbung und ich gebe das meinem Marketingchef weiter.“ So bin ich mit Anfang 20 bei der großen Plattenfirma im Konferenzraum gesessen und wurde auf Herz und Nieren geprüft. Umringt von goldenen und platinenen Schallplatten von „Green Day“ und den „Chilli Peppers“, genauso, wie man sich als Laie das Show Business vorstellt, und habe mir dann gedacht: „Cool, das möchte ich jetzt unbedingt machen.“ Also es war ein bisschen das Netzwerk, das man sich aufbaut. Eines der wichtigsten Elemente für jede Karriere ist auch das richtige Unternehmen zur richtigen Zeit. Es war damals ein cooles Team, circa 16 Leute für ganz Österreich bei „Warner“. Das war natürlich auch sehr familiär und hat irrsinnig Spaß gemacht. Ich hatte den großen Vorteil, dass man mich hat selbstständig arbeiten zu lassen. Also ich durfte schon selbst Pressetermine abwickeln, nachdem die ersten zwei gepasst haben. Man hört stets die Horrorgeschichten, dass der oder die Praktikant*in immer Kaffee kochen muss, was zum Glück schon lange nicht mehr der Fall ist. Das habe ich so in meiner ganzen Laufbahn nicht erlebt.
Jetzt hast du schon ein bisschen angeschnitten, was du dort gemacht hast. Mich würde es interessieren, ob du in alle Bereiche mal reinschnuppern hast können oder ob du etwas Spezielles gemacht hast?
Es war total vielfältig. Der eine Kollege hat das deutschsprachige und das englischsprachige UK-Repertoire gemacht und der andere die amerikanischen Künstler*innen. Ich bin als Abteilungspraktikant zwischen allen möglichen Bereichen herumgestiegen und konnte dadurch relativ breite Eindrücke sammeln. Parallel dazu habe ich, noch viele weitere Tätigkeiten gemacht. Damals waren die Printmedien viel stärker und Online ein Nischending bei ca. 10%. Ich habe mich dann einmal in Monat mit den Online-Journalist*innen der Tageszeitungen getroffen und dann so herumgesponnen: Da können wir das Musikvideo unterbringen, da wird dieses oder jenes Online-Gadget reinpassen. Auf der anderen Seite war es meine Aufgabe, Online-Werbemittel zu designen. Das habe ich aus dem Studium mitgenommen, ein bisschen Photoshop, ein bisschen InDesign. Das hat ausgereicht, die Werbemittel oder die Banner, die man von den internationalen Kolleg*innen bekommen hat auch ein wenig abzuändern. Dann organisiert man durchaus gerne die eine oder andere Abendveranstaltung mit als Student. Da war es dann so, dass wir immer wieder Launch Events gemacht haben, Release Events, Showcases mit Künstler*innen oder den „Amadeus“, den großen Musikpreis. Das war das Schöne daran, dass es ein relativ überschaubares Team war, sodass man wirklich überall mal mitmachen musste. Das Feeling im Team war auch so, da konnte man echt einen Mehrwert generieren.
Na, das hört sich nach einer super Zeit an! Nach dem Studium bist du in der Musikbranche geblieben. Kannst du uns das ein bisschen näher schildern?
Nach dem halbjährigen Pflichtpraktikum war ich noch als klassischer Freelancer ein weiteres halbes Jahr bei „Warner“. Irgendwann habe ich mitbekommen, dass „Universal“ eine/n Manager*in für Artists & Repertoire (A&R) sucht. Das war damals der absolute Top-Job, den man als junger Mensch haben kann: als Talent Scout, Vertragsverhandlungen führen, Karrieren zu planen. Königsklasse! „Warner“ hat mich sehr unterstützt, weil sie eh ein eher ein überschaubares Team hatten. Ich habe mich dann getroffen mit dem Marketing Director von „Universal“, dem auch das A&R unterstellt war, und da haben wir eineinhalb Stunden über alles Mögliche geplaudert. Warum ich glaube, dass ich den Job kann und was meine Ansätze dazu sind, was man machen könnte. Obwohl ich ein eher ruhiger, überlegter Typ bin, habe ich ein bisserl geflippt, muss ich ganz ehrlich sagen. Ich war 24 und es war jetzt gar nicht so, dass ich mir dachte: „Mein Gott was mach ich jetzt?“ Sondern: „Hey, ich will den Job einfach haben!“ Irgendwann habe ich eine lapidare Mail bekommen mit der Frage: „Wann kannst du anfangen?“ So war ich einer der jüngsten A&R-Manager in Österreich. Es war gar nicht so geplant, aber einfach zeitlich super. Ich hatte sicher auch ein bisschen ein Glück.
Und wie war das dann für dich? Als A&R-Manager – überhaupt so ein junger –, was hast du da so gemacht beziehungsweise war es auch eine Challenge?
Absolut! Es war eine gewaltige Challenge, weil du als junger Mensch versuchen hast müssen, Künstler*innen, die viel mehr Ahnung gehabt haben als man selbst, zu guten Projekten zu bringen. Es geht ja nicht immer nur darum, neue Projekte zu designen, sondern auch oft um alte irgendwo aufzubauen. Oder auch einfach nur Projekte zu betreuen. Eines meiner ersten Projekte, gemeinsam mit den erfahrenen Kollegen, war ein posthumes Album: „Georg Danzer live aus der Stadthalle“. Ein Platinalbum, das immer noch bei mir daheim hängt.
Dann habe ich einen alten österreichischen Haudegen Kurt Hauenstein aka „Supermax“, der leider nicht mehr lebt, betreuen dürfen. Der hatte ganz viele spannende Geschichten: Er war zum Beispiel der erste, der in den 70ern in Südafrika mit einer gemischtrassigen Band aufgetreten ist. Den kennt man als Österreicher*in fast gar nicht, weil immer nur von Falco und Konsorten die Rede ist. Aber da kann man dann wirklich auch Musikgeschichte mitgestalten.
Bis hin zur Produktionsplanung mit Künstler*innen wie Christina Stürmer. Dabei lernt man Projektmanagement eigentlich von der Pike auf. Wenn da etwas fehlt, und die Künstlerin steht im Studio, dann bist du der, auf den das zurückfällt. Also auch eine extrem spannende Zeit. So aus dem Nähkästchen geplaudert, wir haben damals in Köln aufgenommen und da war parallel ein Ärztekongress. Man hat keine Hotelzimmer bekommen. Also wie geht man da jetzt an?
Aber auch bis hin zu wirklicher Konzeptarbeit. Eines meiner schönsten und liebsten Projekte war das Vierwochenprogramm mit Sascha Walleczek. Ich glaube, bis jetzt noch eines der ersten und einzigen Hörbücher, das Goldstatus in Österreich hat. Damals waren Hörbücher ein kleines Nischending, und ich habe mir gedacht, hey, da muss doch mehr gehen. Darum freut es mich ganz besonders, dass das so aufgegangen ist. Von Podcasts war damals natürlich noch keine Rede. Das war ein Nerd-Zeug damals – das haben drei Leute auf dem Planeten gebraucht, nicht so wie jetzt, wo es Podcast-Apps gibt. Damals war noch die Vierfach-CD üblich – eine für jede Woche und die kannst du dir im Auto anhören, wenn du in die Arbeit fährst.
Also ich habe Projekte querdurch gemacht, bin Repertoire-technisch sehr breit aufgestellt, von Rock über Pop bis hin zum Schlager (lacht).
Wir haben uns mit deinem Lebenslauf auseinandergesetzt und demzufolge bist du dann ins Produktmanagement gewechselt. Wie ist es zu dem Wechsel gekommen? Und was hast du dort dann gemacht?
Nach zwei Jahren war es an der Zeit, sich zu verändern und ein bisschen weiterzukommen. Das Produktmanagement habe ich immer schon mitgemacht für Österreicher*innen und dann war die Chance da, den Horizont zu erweitern und das Produktmanagement für die UK-Märkte zu betreuen. Das war für mich damals eine super Chance, weil ich wirklich in etwas komplett Neues reinschnuppern konnte. Also ähnlich, wie man in einem Unternehmen einfach mal ins Ausland geht oder einen anderen Bereich übernimmt. Für mich war das ein Radikalwechsel von österreichischen Künstler*innen zu den Größen wie „U2“ oder später „Rolling Stones“, als sie dann bei uns waren. Du bist dann plötzlich nicht mehr der Nummer 1-Zielmarkt, sondern vielleicht nur mehr Platz 17. Alle anderen kommen noch vor dir, mit allem was sie brauchen, und du musst dich aber trotzdem irgendwo durchsetzen, um eine gute Vermarktungsstrategie zusammenzubringen. Du musst auch schauen, dass du in der Priorität der handelnden Personen irgendwo oben auf bist. Du weißt, dass du nie eine Band wie „U2“ für einen Pressetag nach Österreich bekommst, aber du teilst halt die Pressetermine mit den Engländer*innen, und wenn es einen Pressetag gibt, kann der ORF-Kollege dort hinfliegen. Wir haben im Gespann Presse und Produkt gearbeitet. Das heißt, dass jeder Produktmanager einen eigenen PR-Manager im Team gehabt hat und man gemeinsam Pressestrategien erarbeitete. Musikmarketing funktioniert ja so, dass der größere Werbewert nicht gekauft wird, sondern Earned Media ist, wo man Journalist*innen, später Blogger*innen und Influencer*innen hat, die darüber berichten. Das war die klassische PR-Arbeit, die ich bei „Warner“ schon gemacht hab. Und zusätzlich die Fragen lösen: Wo muss ich Launch Events machen? Was machen wir für Festivals?
Die andere Seite war natürlich die ganz klassische Marketing- und Produktplanung. Produktplanung im Sinne von Kalkulationen zu erstellen, die vier P des Marketings: also Product, Price, Place, Promotion Das muss man sich durchdenken, immer ein mit dem Hintergrund, dass man es mit Künstler*innen, die alle ein bisschen einen eigenen Kopf haben, zu tun hat. Dementsprechend muss man auch flexibel sein.
Wir haben uns darum gekümmert, irgendwo eine Limited Edition zu machen oder einen Bonus Track auf dem Album, weil es das für einen Händler geben muss. Später benötige ich große „Spotify“-Playlisten. Grundsätzlich geht es immer darum: Wieviel kann ich ausgeben, damit das Projekt auch profitabel ist? Das übersieht man dann oft ein bisschen in der Euphorie. Das waren so die klassischen Produktmanagement-Aufgaben. Also die Produktsteuerung, die Koordination, die Fertigung vom Werk: damals noch um die 50.000 CDs, die am Release-Tag ausgeliefert sein müssen. Das war schon hart, aber auch extrem spannend.
Wir haben ein Interview von dir mit den „Niederösterreichischen Nachrichten“ im Februar 2020 gelesen. Damals ging es um den Wechsel von „Universal“ zu RAUCH. Ein Statement dabei war: „Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist“. Wie war der Umstieg für dich persönlich und wie geht es dir jetzt bei RAUCH?
Das habe ich damals gesagt, richtig. Es ist tatsächlich so gewesen, dass ich nach dem Produktmanagement drei Jahre die Marketingleitung für Österreich innehatte. Das ist ein Job, der mir irrsinnigen Spaß gemacht hat, bei allem Stress hat man immer irgendetwas mitgenommen. Es bestand also gar nicht der Plan, dass ich großartig etwas anderes mache. Nachdem ich mit RAUCH immer wieder schon mal zu tun gehabt hatte, kam irgendwann das Angebot. Da fängt man dann halt zu überlegen an, und dann gab es ein prägendes Erlebnis für mich. Eines Abends bin ich in einem Hotel mit einem von den internationalen Top-Markenberatern zusammengesessen und er hat dann gemeint: „Na ja, Sie können ja nichts, außer Musik.“ Das war als Scherz gemeint, aber auch vollkommen richtig. Ich bin ein Typ, der sich immer aus der Komfortzone herausbegeben, immer wieder etwas Neues gesucht hat. Damit habe ich das Gespräch mit der Geschäftsführung der Firma dann auch angefangen: Ich muss mir jetzt einfach mal etwas anderes anschauen, wohin mich auch immer das dann führt. Aus dem internationalen Konzern in eine der österreichischen Top-Marken. So ein bisschen aus der Emotion zum Hören, die ich zehn Jahre vermarktet habe, zu der Emotion zum Schmecken. Um das geht es ja. Das erkennt man auf den ersten Blick nicht so, aber Saft kann ein sehr emotionales Produkt sein, weil es wirklich um Geschmack geht. Was mich natürlich auch gefangen hat, ist die Arbeit mit Persönlichkeiten, ob das jetzt Anna Veith oder Katharina Liensberger ist.
Es hat wunderbar gepasst bei „Universal“, aber ich musste mich selber wieder ein bisschen treten (lacht).
Was war es, das du bei RAUCH dazugelernt hast? Ich meine, du bist schon ziemlich lange im Marketing tätig. Machst du jetzt etwas Neues? Gibt es spannende Projekte, die du in der Planung hast?
Ich verantworte drei Bereiche: Markenaktivierung, wo Sponsoring dabei ist, digitales Marketing und auch das ganze Trade and Service-Marketing. Spannend sind ist für mich erstens die Digitalisierung bei einem Unternehmen, das nicht zu 90% die Umsätze digital generiert. Zum Glück gibt es noch Supermärkte, wo das Produkt im Regal drinnen steht. Nichtsdestotrotz ist digitale Kommunikation da sehr gut einsetz- und übersetzbar. Das ist natürlich etwas, das ich aus meiner Erfahrung in der Musikbranche, die extrem digital ist, mitgebracht habe.
Auf der anderen Seite macht es extrem Spaß, das ganze Sponsoring zu sehen, einmal auf der anderen Seite zu sitzen und mit Athlet*innen oder anderen Partner*innen zu arbeiten, wo man schauen muss, dass man die Marke stärkt.
Das dritte war einfach zu sehen, wie funktionieren Marken ganz klassisch, die jetzt keine Persönlichkeit im Hintergrund haben. Das war für mich eigentlich das Key Learning. Im Brandmanagement in der Musik hat man geschaut, dass Künstlermarken wachsen und sich weiterentwickeln können. Aber natürlich immer mit dem Hintergrund, dass es sich um eine reale Person mit allen ihren Stärken und Schwächen, Vor- und Nachteilen handelt. Man kann nicht einfach sagen: „Lieber X, du musst dir jetzt die Haare grün färben, weil das ist jetzt genau der Style, den wir brauchen, und Y muss sich diese überhaupt abrasieren, weil sonst können wir euch als Duo nicht vermarkten.“ Das Packaging von einem Saft oder irgendeinem anderen Produkt kann man natürlich nach Belieben gestalten und das ist natürlich etwas Spannendes. Es gibt Freiheiten, macht es aber natürlich auch schwieriger, weil man natürlich viel tiefer überlegen muss, wie positioniere ich das jetzt.
Jetzt ist schon das Stichwort „Digital Marketing“ gefallen. Uns würde interessieren, wo du in deinem Tätigkeitsbereich Veränderungen siehst.
Ich habe das ja in meinem Berufsleben mitverfolgen können, vom ersten iPhone bis zur kompletten Streaming-Digitalisierung oder wo wir halt jetzt stehen. Social Media war für uns damals (Ender der 1990er) „U-Boot“, das war eine kostenlose österreichische E-Mail-Adresse, die man haben hat können. Dann kamen schon die unterschiedlichsten Plattformen, bei denen man dabei sein hat müssen. Dann war damals natürlich „MySpace“ sehr groß, das haben wir circa 2004 im Studium für uns entdeckt, „studiVZ“ genauso. „MySpace“ war damals extrem musikgetrieben, und plötzlich ist dann so ein komisches Ding dahergekommen, das „Facebook“ geheißen hat. Von uns hat damals niemand so richtig gewusst, was wir jetzt damit machen. Aber trotzdem sind alle sofort darauf eingestiegen. Das war bei mir im ersten Jahr bei „Warner“. Dann ist es relativ schnell gegangen und „Facebook“ war voll etabliert, „MySpace“ verschwand immer mehr im Hintergrund. Dann sind „Instagram“ und diese ganzen Messenger-Dienste wie „WhatsApp“ aufgekommen, die mittlerweile alle zusammengehören. Und was man da mitgenommen hat, ist, dass Social Media prägt, bei allen Diskussionen, die wir haben. Allerdings gibt es immer auch ein Auf und Ab bei dem Ganzen, man muss schon ganz genau abwägen in Richtung Kundenrisiko. Wo setze ich mich drauf, was kann ich machen? Die Möglichkeiten der Teilhabe an sozialen Netzwerken haben sich enorm erweitert.
Dann kommt in der Digitalisierung noch der ganze Bereich des Advertisings generell dazu: von Search Engine Marketing, von Cookie Policies, mit denen wir uns aktuell ganz intensiv beschäftigen müssen, Stichwort: First Party versus Third Party Cookies, bis hin zum programmatischen Advertising, wie kann man es dynamisieren, wie kann man es automatisieren. Und das ist etwas, was den ganzen digitalen Bereich so spannend macht, weil natürlich kann ich Mediaplanung extrem effizient und individualisiert betreiben.
Man kann sehr vielen Personen personalisierte Werbung bieten, was ein Vorteil ist, um darauf angesprochen zu werden, was eine/n vielleicht interessiert. Mit dem Nachteil, dass man natürlich ein Stück gläsern wird. Das Thema Data Privacy ist ein Thema, das man sich auch anschauen muss. Also da könnten wir jetzt Stunden und Tage darüber sprechen, aber vielleicht ist es das so „in a Nutshell“.
Ja, ein sich sehr schnell veränderndes Berufsfeld. Jetzt gehen wir noch einmal auf dich als Person zurück: In welche Richtung wirst du dich persönlich entwickeln in der Zukunft?
(Lacht) Wenn ich das wüsste, würde ich ein Stück gescheiter sein! Eine meiner Maximen ist, ich muss einen Mehrwert stiften können. Was ich nicht mag, ist irgendwas zu machen, wo ich keinen Mehrwert generieren kann: sei es für das Unternehmen, für Künstler*innen, sei es für mich selbst. Wo es dann hingeht, ist bis zu einem gewissen Grad ein organisches Feld.
Ich möchte das Interview gerne auf eine ganz lockere Art und Weise beenden. Wir haben fünf Satzanfänge vorbereitet.
Dieses Musikinstrument würde ich gerne beherrschen…
Klavier!
Mein Bestes unnützes Talent ist…
dass ich mit Allem etwas anfangen kann.
Mein Happy Place ist…
meine Familie. Wo auch immer die dann gerade ist.
Mein Lebensmotto lautet…
Eigentlich habe ich keines. Die Maximen nannte ich bereits, wahrscheinlich immer vorwärts, nicht stehen bleiben.
Am Marketing inspiriert mich am meisten…
Starke und spannende Marken.
Dieses Interview entstand zur Feier des 25-jährigen Jubiläums von BMM im Rahmen von MMF I.