Mario Lenz: “Eine Schicksalsgemeinschaft wie an der FH sollte man auch im Beruf anstreben”

Projektbeschreibung

Mario Lenz, Geschäftsleiter Aktuelle Produktionen und verantwortlich für die Sportrechte der Sendergruppe ProSiebenSAT1PULS4, diskutierte mit Linus Duschl und Paul Frühwirt über die Bedeutung von Fußball in seinem beruflichen wie privaten Leben, die Vorteile eines Studiums im Pionierjahrgang und die Dynamik des Bewegtbildmarktes.

 

Mario, du hast früher als Stürmer bei SV Austria Salzburg Fußball gespielt. Wir haben uns deine Statistik angesehen: In 128 Spielen hast du 78 Tore geschossen und dabei keine einzige rote Karte kassiert. Lässt sich diese Zielstrebigkeit und deine besonnene Art auch auf deine Arbeitseinstellung im Beruf übertragen?

Ja, ich denke schon. Ich bin eher ein rationaler Typ, steigere mich nicht in Sachen rein und tue dann Dinge, die nicht zweckdienlich sind. Aber eure Recherche stimmt nicht ganz: Ich habe einmal eine rote Karte kassiert. Aber das war ein Missverständnis: Mein Gegenspieler meinte, er muss sich fallenlassen und ich habe ihn einen Kasperl genannt. Der Schiedsrichter glaubte, ich meine ihn.

 

In deiner offiziellen Statistik scheint weder eine rote noch eine gelb-rote Karte auf.

Ja, ich habe generell immer wenige Karten gekriegt. Da könnte man auch sagen, dass ich nicht hart genug gespielt habe, aber im Endeffekt hat es trotzdem funktioniert. Auf das Berufsleben umgelegt: Ja, ich glaube, ich bin kein cholerischer Typ, der schnell emotional wird.

 

Wolltest du als Kind eigentlich Fußballer werden?

Das habe ich immer gerne gemacht, aber es war nie das vorrangige Ziel Fußballprofi zu werden.

 

Bei der Austria Salzburg hast du doch relativ professionell gespielt. Warum bist du nicht weiter durchgestartet, sondern hast dich dafür entschieden Medienmanagement zu studieren?

Ich habe im St. Pöltner Raum in diversen Unterklassen gespielt. Beim Berufswechsel nach Salzburg habe ich dort einen Verein gesucht. Austria Salzburg war der einzige, den ich kannte. Deshalb habe ich angefragt, ob ich mittrainieren darf und so ist eins zum anderen gekommen. Die neugegründete Austria Salzburg hat in der ersten Klasse gespielt und ich war dort in der ersten Klasse und zweiten Landesliga. Das ist schon weniger professionell. Aber so wie das Umfeld bei Austria Salzburg war, war es auch nicht typisch für einen Zweitlandesliga-Verein. Jedes Wochenende vor 1.500 Leuten zu spielen hat man normalerweise in der zweiten Landesliga nicht oft (lacht). Insofern war das schon etwas ganz Besonderes und eine extrem prägende Erfahrung für mich. Aber ich bin dann erstens beruflich wieder nach Wien zurückgegangen und zweitens wäre die erste Landesliga vielleicht noch gegangen, aber irgendwo wäre mir dann das Talent ausgegangen.

 

Was waren für dich damals die Vorzüge der FH – und speziell des Studiengangs Medienmanagement – im Gegensatz zu einer anderen Ausbildung?

Ich war, bevor ich an die FH gegangen bin, kurz auf der Wirtschaftsuniversität. Das hat mir überhaupt nicht entsprochen. Mich hat es maßlos geärgert, wenn ich in Kurse, die ich besuchen wollte, nicht hineingekommen bin. Deswegen habe ich mich dann schnell bei mehreren FH´s beworben und mich für St. Pölten entschieden, weil das Thema Medienbranche für mich am interessantesten war. Gar nicht so, weil ich ein St. Pöltner bin.

Wir waren der erste Jahrgang damals und da hat man schon gemerkt, dass noch ein bisschen „Trial and Error“ dabei war. Das klingt negativer, als es war: Wir hatten auch die Gelegenheit mitzugestalten und gemeinsam mit Lehrbeauftragten und mit der Studiengangsleitung zu besprechen, was gut und was schlecht funktioniert. Selbstverständlich hatten es die Jahrgänge danach aufgrund der Erfahrungswerte ein bisschen leichter. Aber dieses Start-up-Gefühl, das wir damals hatten, war auch nicht schlecht.

 

Welche Teile des Studiums haben dir besonders gut gefallen und welche waren besonders wichtig?

Es gab Lehrveranstaltungen, die wichtig waren, aber vielleicht nicht besonders interessant. Ein Fach, das extrem trocken und auch mein einziger 5er an der FH war, war Deutsch. Zu der Zeit ist es um die neue deutsche Rechtschreibung gegangen. Das war damals aber wichtig und ich hätte mich damit selbst auch sonst zu wenig beschäftigt. Auch Statistik, weil das – rückblickend betrachtet – im Gymnasium viel zu kurz gekommen ist bei uns. Das braucht man im praktischen Arbeitsleben in verschiedenen Abwandlungen immer wieder. Dann gab es Themen wie Semiotik oder Medienökonomie, auch mit denen kommt man im Gymnasium nie in Kontakt. In die konnte ich mich ziemlich vertiefen. Grundsätzlich hat es also der Fächermix ausgemacht.

 

Hat es irgendeinen besonders prägenden Moment an der FH gegeben? Also welcher Moment ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

Nein, ich würde nicht sagen, dass es herausragenden Einzelmomente gegeben hat. Wenn ich so zurückdenke, hat es immer wieder interessante Themen gegeben: Wenn du dich mit den Mitstudierenden das erste Mal triffst und besprichst, wie du ein Projekt oder ein Thema angehst. Das war schon eine große Lernkurve; vom ersten bis hin zum letzten Semester ist schon sehr viel mehr Routine hineingekommen und jede/r hat gewusst wie etwas zu tun ist. Rückblickend betrachtet sind das die Momente, die am meisten in Erinnerung bleiben.

Um wieder die Analogie zum Fußball zu spannen: Wenn man als ehemaliger Mannschaftssportler zurückdenkt an seine aktive Karriere, bleiben einem auch am meisten die Momente mit den Teamkollegen in Erinnerung. Und das ist auch das, was man am meisten vermisst; also das Gefühl in der Kabine. Genauso ist es bei der FH, die ja im Gegensatz zur Uni sehr viel mehr auf Teamarbeit setzt. Nämlich dieses wirkliche, dauernde Zusammensein, im Team zu arbeiten, eine Schicksalsgemeinschaft zu haben. Das sollte man natürlich auch im Berufsleben anstreben. Es ist nur nicht in jedem Beruf so möglich oder so gelebt; überall ist die Unternehmenskultur anders.

 

Wir haben herausgefunden, dass du deine Diplomarbeit im Jahr 2006 über den japanischen Musikmarkt und seine internationale Bedeutung geschrieben hast. Wie bist du zu diesem, doch sehr außergewöhnlichen Thema gekommen?

Ich habe mein Praktikum bei „Brainstorm Music Marketing“ in Deutschland gemacht. Die haben den Deutschlandvertrieb für ein japanisches Label übernommen, um japanische Künstler in Deutschland bekannter zu machen. Insofern hat mich das Thema interessiert.

Während der Studienzeit, wenn es darum geht, ein Thema für die Diplomarbeit auszuwählen, denkt man, dass es sich um ein besonders innovatives oder besonders herausragendes Thema handeln muss. Ich kann den Tipp geben, macht es nicht. Die Themen, die die Diplomarbeitsbetreuer*innen vorschlagen haben ihren Sinn. Das sind meistens Themen, die in irgendeiner Art und Weise wichtig sind, wo es viel Literatur gibt und wo man mit vielen Leuten reden kann.

Rückblickend betrachtet würde ich dieses Thema nicht mehr wählen. Das geschah damals aus dem Affekt heraus, weil ich eben gerade aus dem Praktikum gekommen bin und mich das Thema dort beschäftigt hat. Aber es war sicher keine kluge Wahl.

 

In Hinblick auf deine Fußballkarriere und deine Auseinandersetzung mit Musik: Wäre es für dich direkt nach dem Studium erstrebenswert gewesen, im operativen Bereich eines Fußballclubs oder eines Musiklabels zu arbeiten?

Ja, beides. In der Musikbranche habe ich ja mehr oder weniger gearbeitet. Ich war bei „Sony DADC“, das später  von „RealNetworks“ übernommen wurde, in Salzburg und da haben wir die Betreuung von „Vodafone Live Music“ für ganz Europa gemacht. Danach bei „ZED Austria“, also Klingeltöne und ähnliches, da ging es auch um Content-Lizenzierung usw., also auch im weiteren Umfeld der Musikbranche. Label hätte ich ehrlich gesagt gerne gemacht, aber es hat sich keine interessante Möglichkeit ergeben.

Zum Thema Fußballclub: Da gab es den einen oder anderen Kontakt mit dem Angebot: „Ja, du kannst mitarbeiten“. Aber dass dir wirklich jemand einen Brotberuf in der Fußballbranche gibt, ohne dass du vorher schon irgendwo Profi warst oder bei einem Klub Leute kennst,  ist eher schwierig.

Als ich bei „ZED“ aufgehört habe, habe ich mit dem Gedanken gespielt, mich im Thema Sportsponsoring selbstständig zu machen. Ich bin dann auf die Ausschreibung von – damals noch – „SevenOne Media“ gestoßen, wo ein Projektleiter für Sportlizenzen gesucht wurde. Mein Jobeinstieg dort ist dann überraschend schnell gegangen. Im Endeffekt hat sich das als sehr gute Wahl herausgestellt.

 

Weil wir jetzt schon bei deinem Berufseinstieg und deiner beruflichen Tätigkeit sind: Du hast erwähnt, dass du dein Pflichtpraktikum in Deutschland absolviert hast. Wie hast du damals diesen ersten längeren Einblick in die Branche empfunden? Wurde aus diesem Praktikum dann eine Festanstellung oder wie hat sich das dann weiterentwickelt?

Nein, es wurde keine Festanstellung, weil ich nach Österreich zurückgegangen bin und das dort auch nicht vorgesehen war. Das war eine Musikmarketing-Agentur im Süden von Deutschland in einem relativ kleinen Ort. Auch die Agentur war klein; es waren damals sechs oder sieben Leute angestellt. Dort gab es eigentlich nicht die klassische Praktikantenposition, sondern ich habe mitgeholfen, wo ich gebraucht wurde. Insofern habe ich sehr viel Einblick gehabt. Ich war dann auch mit der „Jägermeister Rock Liga“ unterwegs, mit „Metal Hammer“ auf diversen Festivals und hatte mit vielen Leuten Kontakt.

Bei größeren Unternehmen, wo es tatsächliche Praktikantenpositionen gibt, wäre das wahrscheinlich ein bisschen glatter gelaufen. Ich hätte es mir leichter machen können. Aber das hat schon gepasst, dass man ein bisschen hineingeworfen wird. Ich weiß, das ist bei einem Praktikum eigentlich nicht so vorgesehen, aber das ist etwas, das man auch ein Stück weit lernen muss. Und im Endeffekt, zu viel Verantwortung gibt dir ohnehin niemand.

 

Wie bist du dann zu „PULS4“ gekommen?

Naja, ich bin zurückgekommen, habe meine Diplomarbeit fertig gemacht, daneben in St. Pölten in der Veranstaltungsbranche mitgearbeitet und einen Job gesucht. Da hat sich „Sony DADC“ respektive „RealNetworks“ ergeben. Ich war damals nicht liiert, insofern war ich flexibel und habe gesagt: „Okay, ich gehe nach Salzburg“. Dort habe ich zwei Jahre lang gearbeitet. Durch die Übernahme von „RealNetworks“ hat sich viel geändert. Sie hätten mir eine andere Position angeboten, die mich gar nicht interessiert hat und dann haben wir das Ganze einvernehmlich beendet.

Ich war dann zwei Jahre bei „ZED“. Das war nicht wirklich meins und ehrlicherweise habe ich mich beim Wohnen in Wien nicht besonders wohl gefühlt. Dann wollte ich mich wieder verändern und habe eine Fortbildung in Fußballmanagement abgeschlossen. Ich war dann im sogenannten erweiterten Vorstand vom SKN St. Pölten, wo es darum gegangen ist, die Sponsorings vom neuen Stadion mit zu entwerfen.

Dann bin ich eben auf diese Anzeige von „SevenOne“ gestoßen, wo ich mir gedacht habe: „Champions League ist noch einmal ein bisschen etwas anderes und das wäre vielleicht auch eine coole Erfahrung.“ Ich habe mich dann mit dem Geschäftsführer gut verstanden und wir waren auf einer Wellenlänge. Dabei hat geholfen, dass er Salzburger ist, er den Weg von Austria Salzburg verfolgt hat und dass es ihm gefallen hat, dass ich dort gespielt habe. Wie es halt oft so ist; es kommen Kleinigkeiten dazu, die einem ein bisschen mehr in Erinnerung bleiben lassen bei einem Vorstellungsgespräch als andere. Ja, so bin ich zu „SevenOne“ gekommen; seitdem – also im September 2021 waren es zehn Jahre – bei „SevenOne“ bzw. „ProSiebenSat.1 PULS4“.

 

Wie du gerade eben gesagt hast; du bist jetzt seit mittlerweile zehn Jahren für „PULS4“ im Sportrechtemanagement tätig und hast dabei im Jahr 2018 noch mehr Verantwortung übernommen. Zeigt sich in deinem Berufswechsel eine gewisse Ironie im Gegensatz zwischen dem traditionellen Klub Austria Salzburg, der früheren Übernahme durch „Red Bull“ und deiner aktuellen Tätigkeit für den riesigen Konzern „ProSiebenSat.1 PULS4“?

Ja, klar ist das ein gewisser Gegensatz. Aber damals war ja der ausschlaggebende Punkt nicht der, dass „Red Bull“ so ein riesiger Konzern ist. Der ausschlaggebende Punkt war, dass „Red Bull“ damals ganz klar signalisiert hat, dass sie sich von den bestehenden Fans und deren Tradition distanzieren wollen. Dieser Teil der Austria war für „Red Bull“ uninteressant, sie wollten  das Sagen haben und den Klub auch als Marketingtool nutzen. Diese ganze Entwicklung war für die bestehenden Fans extrem schwer zu schlucken.

 

Kommen wir jetzt mit einem kurzen Gedankenexperiment zu einem ganz anderen Thema, nämlich zur Veränderung der Medienbranche: Wenn wir die Welt um 20 Jahre zurückdrehen, wie erinnerst du dich an die damalige Medienlandschaft im Vergleich zu heute? In welchen Tätigkeitsfeldern erkennst du die stärksten Veränderungen?

Es ist allein schon eine Riesenveränderung, seitdem ich bei „ProSiebenSat.1PULS4“ angefangen habe. Allein schon, wenn man die Konkurrenz betrachtet. Das waren damals ganz klar andere Fernsehunternehmen und da im Wesentlichen der ORF und ATV; plus natürlich – und das war schon immer die Konkurrenz auch vom Fernsehen – andere Freizeitangebote. Denn die Leute müssen ja nicht vor dem Fernseher sitzen, sie könnten ja auch zur selben Zeit im Gastgarten sitzen. Man rittert ja um die Zeit der Menschen.

Damals waren es wie gesagt der ORF, ATV und wir. ATV gehört mittlerweile zu uns, „Servus TV“ ist aufgekommen und viel Geld haben sie schon immer hineingeworfen, aber jetzt haben sie auch die Strategie dahingehend geändert, dass sie das Geld in  Sportrechte investieren. Das hat auch nochmals alles verändert.

Aber der Grund für die beiden größten Unterschiede ist die technische Entwicklung, dass es auch leichter geworden ist Bewegtbild in die Masse zu tragen. Das hat zur Folge, dass jetzt sehr viele Medienunternehmen, die eigentlich gar nicht aus dem Bewegtbild kommen, insbesondere Zeitungen bzw. Printverlage, Bewegtbild machen.

Auf der einen Seite gibt es natürlich „YouTube“, die zwar noch immer behaupten, sie sind kein Medienunternehmen, aber natürlich sind sie ein Medienunternehmen und sie leben auch gut davon; das ist mit dem User-Generated-Content noch einmal eine ganz andere Sache. Und dann gibt es diese Over-the-top-Plattformen wie „Amazon Prime“, „Netflix“ und Co, die mit sehr viel Investment weltweit dieses ganze Rad am Laufen halten und auch am Laufen halten müssen. Wenn sie irgendwann einmal sagen, sie gehen vom Investment-Gaspedal runter, dann implodiert das ganze Kartenhaus.

 

Seht ihr da die Konkurrenz? Also steht ihr in direkter Konkurrenz zu „YouTube“, versucht ihr selbst auf „YouTube“ Content hochzuladen bzw. in welcher Konkurrenz steht hierzu eure Mediathek?

Es sind überschneidende Zuschauergruppen. Aber es bringt wenig, wenn wir jetzt versuchen, „YouTube“ ein Haxerl zu stellen in Österreich. Wir müssen schauen, dass wir so guten Content wie möglich herstellen und den so gut wie möglich distribuieren. Da haben Anbieter wie „YouTube“ einen Riesenvorteil,aber auch da muss man sich gut überlegen, inwiefern wir das nutzen sollen. Denn alles was man an dieser Distributions-Power, die „YouTube“ hat, nutzt, stärkt natürlich auch „YouTube“ selbst. Diese Frenemy-Strategie, wie sie immer genannt wird, ist nicht so ganz easy. Bei „Netflix“ und „Amazon Prime“ ist es ähnlich; wir könnten uns ja auch theoretisch überlegen, dass wir zu „Netflix“ hingehen und anbieten, unseren Content dort zu vertreiben. Aber dabei muss man eben auch abwägen: Was wäre dann noch der Grund, um TV zu schauen?

Die Entwicklung, die wir jetzt gerade durchmachen, ist wirklich eine extrem spannende, wo man sich jeden Schritt sehr gut überlegen und wo man auch ein bisschen über den eigenen Schatten springen muss. Weil, ehrlicherweise muss man sagen, „Servus TV“ kauft jetzt zwar extrem viele prominente Sportrechte ein was ihnen einen Vorteil gegenüber uns verschafft, holen damit aber auch u.a. die „Champions League“ zurück ins Free-TV. Steigende Reichweiten bei der Konkurrenz sind zwar für uns aus einer Marktperspektive, in der wir alle um die Werbegelder rittern, keine gute Nachricht, aber für die Gattung Free-TV ist das nicht schlecht! Insofern ist das alles ein wenig differenziert zu betrachten.

 

Wie wählst du das Sportprogramm mit den einzukaufenden Rechten dann genau aus? Derzeit laufen ja z.B. die Europa League, American Football bzw. die NFL, „Super Bowl“ und die NHL bei euch. Hast du dabei freie Hand über das Budget bzw. wie kann man sich den Prozess des Rechtekaufs von z.B. der Champions League vorstellen?

Freie Hand habe ich nicht. In einem börsennotierten Unternehmen ist es so, dass es klare Prozesse und Freigabegenehmigungen gibt. Wenn jetzt ein neues Recht auf dem Markt kommt, von dem ich der Meinung bin, dass uns das weiterhelfen würde, berede ich im ersten Schritt mit dem TV Chef. ob wir uns das dann vorstellen können und ob wir es budgetär abbilden könnten. Dann geht es in die Detailkalkulation: Man berechnet einen Business-Case, man schaut sich an, was man damit verdienen könnte undwas es uns bringen würde. Das ist ein relativ langwieriger Prozess. Dann geht es in das Gremium, also in die Geschäftsleitung bei uns in Österreich und es wird entschieden. Wenn ein Projekt über gewisse Lizenzbeträge bzw. Vertragssummen hinausgeht, dann muss es auch vom Konzernvorstand freigegeben werden.

 

Du hast zuvor schon die Konkurrenz, wie z.B. „Servus TV“, angeschnitten. Was sind da deine Einschätzungen über die Veränderungen und die aktuellen Verhältnisse, wo Pay-TV-Angebote wie „DAZN“ oder „Sky Sport“ extrem in diesen Markt einbrechen, aber auch andere wie z.B. „Servus TV“ bestimmte Rechte halten? Bleibt da für einen Sender selbst eigentlich noch etwas übrig, wenn so ein großes Gerangel um die Sportrechte vorherrschend ist?

Momentan bleibt wenig übrig. Aber das ist – speziell bei Sportrechten – eine Momentaufnahme. Wir haben z.B. die Europa League-Rechte verloren und werden in den nächsten drei Jahren keine Europa League haben. Auf der anderen Seite ist nächstes Jahr schon wieder die nächste Ausschreibung. Also läuft das immer in diesen Rechte-Zyklen von drei, vier Jahren und dann beginnt das Rennen wieder von neu.

Momentan ist es sicher schwer, dass man in Österreich an Premium-Sportrechte kommt, weil eben „Servus TV“ und der gebührenfinanzierte ORF alles  um viel Geld kaufen. Aber da braucht man auch den Kopf nicht in den Sand stecken, weil es ja nicht so ist, als würden wir das Geld verlieren. Wir können es dafür ja für etwas anderes ausgeben. Dann ist es halt nicht die Europa League, sondern „Ninja Warrior“ o.ä.

Es wäre für uns z.B. sinnlos, wenn wir jedes Offer von „Servus TV“ halten würden, weil das einfach für unser Geschäftsmodell keinen Sinn macht. Bei „Servus TV“ sind offenbar auch andere Gründe dahinter, warum man in Sport investiert und warum man in den Sender investiert. Bei uns geht es am Ende des Tages schon darum, dass wir ein funktionierendes Geschäftsmodell haben und dadurch auch die vielen Mitarbeiter*innen halten können. Wir sind auch ein Wirtschaftsunternehmen; das ist wahrscheinlich in Salzburg ein bisschen anders, da ist es zum Teil auch ein bisschen ein Hobby. Und beim ORF ist es so, dass der ORF gebührenfinanziert ist und er hat ein ganz eigenes Selbstverständnis, selbst für einen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. Österreich ist kein typischer Fernsehmarkt, muss man sagen.

 

Wie sieht eigentlich die Konkurrenzsituation mit den anderen TV-Anbietern aus? Kennt man die Leute aus der Branche und kann man da auch erfolgreich zusammenarbeiten, auch außerhalb des „ProSiebenSat.1PULS4“-ATV-Spektrums?

Ich kenne die Leute von „Servus TV“, ich kenne die Leute von „Sky“, ich kenne die Leute vom ORF und sie kennen mich. Da kann man sich auch zwischendurch anrufen und kurzfristig darüber sprechen, ob man vielleicht bei gewissen Projekten sogar kooperieren kann. Es passiert aber nicht so oft, dass es auch gemeinsame Möglichkeiten gibt.

Bei ORF und „Servus TV“ hat es zwar offenbar die eine oder andere Kooperation gegeben; aber inwiefern das tatsächlich ein gemeinsames Vorgehen war oder sich einfach die Rechte komplementär ergänzt haben, weiß ich nicht. Aber da begegnen sich auch geldmäßig zwei auf Augenhöhe (lacht), was bei uns jetzt in diesen Größenordnungen nicht unbedingt so der Fall wäre.

 

Daran anschließend: Wie stark kannst du heute von deiner damaligen Ausbildung und von deinen FH-Kontakten im Beruf profitieren?

Profitieren eigentlich gar nicht. Es gibt in der Fernsehbranche – von den Leuten, mit denen ich zu tun habe – ein paar, die ich vom Studium kenne. Aber ich könnte jetzt nicht sagen, dass mir das einen entscheidenden Vorteil gebracht hat. Das hängt, glaube ich, auch einfach daran, dass ich die meiste Zeit meiner Fernsehkarriere im Sportbereich war und der Bereich ist in Österreich nicht groß. Wenn da also zwei aus derselben FH, aus demselben Studiengang sogar noch in der Sportbranche im österreichischen Fernsehen arbeiten würden, dann wäre das schon ein sehr großer Zufall.

Aber es gibt bei uns in der Firma natürlich diverse Leute, die an der FH St. Pölten studiert haben. Auch bei „Sky“ gibt es eine Kollegin, die mit mir studiert hat. Aber ich könnte jetzt nicht sagen, dass das bei mir persönlich ein Wettbewerbsvorteil ist. Das ist bei anderen vielleicht anders.

 

Wie schaut das privat aus? Hast du da mit deinen damaligen Mitstudent*innen Kontakt?

Weniger als ich es mir wünschen würde. Das liegt aber auch an mir. Das ist immer so mit Kommiliton*innen und ehemaligen Schulkolleg*innen, man muss das auch wirklich aktiv pflegen und sich darum kümmern. Das habe ich ein bisschen schleifen lassen angesichts des Alltags mit Job, Familie und Kindern. Es gibt aber wohl noch immer eine Runde, die sich relativ regelmäßig trifft.

 

Du sprichst eben Job und Familie an. Speziell in der Medienbranche und da vor allem im Sportbereich: Ist es in deinem Job sehr schwierig, die berufliche Tätigkeit mit deinem Privatleben zu vereinen? Wie gehst du damit um?

Speziell in diesem Job – also für Sportrechte verantwortlich – geht es eigentlich. Aber bei redaktionellen Arbeiten und speziell bei Sport-Redakteur*innen ist es schon ein wenig mühsamer, weil eben die meisten Sportbewerbe am Wochenende stattfinden. Insofern ist es schon etwas, was man für das Familienleben bedenken muss.

 

Wieder bezogen auf deine Tätigkeit: Wie haben sich, deinem Gefühl nach, die Wünsche oder Bedürfnisse der Rezipient*innen im Sportfernsehen verändert?

Das ist schwierig, weil das auch immer sehr subjektiv ist. Generell ist schon festzustellen, dass durch den damaligen Eintritt von „Premiere“ und dann später „Sky“ – verbunden mit sehr viel Geld – die Art der Übertragungen (Formel1, Fußball usw.) schon auf ein neues Level gehoben wurde:  mit diversen Analysen, vor Ort, im Studio und am Pitch im Stadion sowie diversen neuen Kameraeinstellungen wie der Helmkamera bei der Formel1, Augmented Reality usw. Die sind schon mit ganz neuen Sachen gekommen, weil sie damals auch rechtfertigen mussten – das war ja im deutschsprachigen Raum nicht so sehr verbreitet –, warum man dafür zahlen sollte, dass man den Content bekommt. Damals hat es anscheinend nicht gereicht, dass „Sky“ sagt: „Du siehst es aber nur bei mir, weil ich habe die Rechte exklusiv“. Sondern „Sky“ hat auch klarmachen müssen: „Und du siehst es in der besten Qualität bei mir.“ Die haben schon einige Standards gesetzt, wo man jetzt mitunter gar nicht mehr darüber nachdenken würde, ob man das macht. Da haben jetzt auch alle anderen nachgezogen.

Wo vielleicht ein bisschen ein größerer Unterschied ist: Wofür sind die Leute bereit zu zahlen? Also früher war es eine Riesenhürde, dass man für „Sky“ Geld zahlen musste. Mittlerweile besagen Studien, dass die Menschen auch bereit sind, für zwei bis drei Dienste gleichzeitig Geld auszugeben. Das wäre, glaube ich, als größere Veränderung vor zehn Jahren undenkbar gewesen.

 

Wenn wir jetzt konkret nur dein Unternehmen betrachten: Was waren in diesem Zusammenhang die gravierendsten Entwicklungen im Sportbereich in den letzten Jahren?

Schwierig zu sagen. Es hat viele Veränderungen gegeben, die das Leben erleichtert haben, die aber die Zuseher*innen vielleicht gar nicht so gemerkt haben. Da geht es zum Beispiel um Grafikmaschinen, die im Hintergrund weiterentwickelt wurden, oder auch um Analysetools. Also mittlerweile bekommt man als Kommentator bekanntlich Live- Statistiken, zb wie viele Kilometer jemand gelaufen ist; das hat es vor 20 Jahren natürlich noch nicht gegeben.

Ansonsten ist es Standard, dass man jederzeit überall jemanden vor Ort hat, der oder die dann im oder vor dem Stadion steht. Da gibt es Technologien wie z.B. Live-View, eine Broadcast-Technik über SIM-Karten bzw. über das Mobilfunk-Telefon. Die erleichtern etwa, dass man bei der Europameisterschaft einen Reporter vor das Stadion in Holland stellen kann, der mit mir live kommunizieren kann, indem der Kameramann einfach einen Rucksack mit mehreren SIM-Karten trägt. Früher hätte man dafür einen Satelliten-Uplink benötigt, was auch wieder mit relativ hohen Kosten verbunden ist.

Das ist auch glaube ich der Grund, warum so viele Sachen, wo z.B. „Sky“ damals Pionier war, mittlerweile Standard sind, weil sie heute leichter und billiger für die Fernsehsender umzusetzen sind.

 

Welche Innovationen sind in den nächsten Jahren von euch zu erwarten bzw. in Planung? Gibt es von dir Wünsche, was sich bei euch verändern sollte?

Ein Thema, was sicher auf uns zukommt ist – Schritt für Schritt – zu automatisieren. Wir machen gerade im Studiobetrieb noch sehr viele Handgriffe manuell, wo der oder die jeweilige Mitarbeiter*in aber vielleicht auch kreativere Sachen mit seiner Zeit machen könnte, die auch mehr zur Qualität beitragen. Dann Augmented Reality: Ich bin mir zwar nicht sicher, ob wir komplett in die Augmented Reality-Welt eintauchen, glaube aber, dass es punktuell vermehrt eingesetzt werden sollte. Ansonsten wird die Übertragungstechnik sich noch mehr auf Digitalisierung fokussieren. Es wird die Satellitenübertragung, glaube ich, immer mehr in den Hintergrund rücken. Glasfaser und vor Allem 5G wird noch ein Riesenthema werden und die gesamte Übertragungstechnik noch einmal revolutionieren. Auf der technischen Seite passiert sehr viel. Was neue redaktionelle Trends betrifft, weiß ich nicht. Da sehe ich nicht solch große Schritte unmittelbar am Horizont wie technisch, aber vielleicht bin ich da gerade auch nicht visionär genug (lacht).

 

Schaut man dabei eigentlich auch oft nach Amerika? Gibt es dieses „Vorbild Amerika“ auch in deinem Bereich?

Klar, natürlich schaut man auch auf andere Märkte; das ist USA, die BBC macht sehr viel und auch aus Israel kommt sehr viel, was innovativ ist. In unserem speziellen Fall haben wir ja auch sehr viele Berührungspunkte mit dem amerikanischen Fernsehen, dadurch dass wir die NFL und die NHL machen. Da bekommen wir schon auch mit, was dort passiert. Sie sind uns in manchen Bereichen – technisch und infrastrukturell – voraus. Auf der anderen Seite denkt man sich bei manchen Sachen auch oft: „Wie können die das so machen? Bei uns in Europa würde es das nicht geben.“ Im Endeffekt kochen alle nur mit Wasser, muss man sagen. Man kann sich einige Sachen abschauen, aber es ist nicht so, dass man irgendwo eine Blaupause hat, die auf jeden Fall anzustreben wäre.

 

Wir haben jetzt am Ende noch einen Word-Rap vorbereitet. Wir würden dich gerne bitten, die Satzanfänge kurz zu vollenden oder die Fragen kurz zu beantworten: Meine Lieblingssportart ist…

…Fußball. Fußball würde ich sagen generell, aber momentan ist für mich auch Eishockey ganz stark im Kommen; logischerweise, weil wir die ICE Hockey League machen auf „PULS 24“. Und persönlich habe ich jetzt begonnen Tennis zu spielen, weil ich wieder mehr Sport machen wollte.

 

Mein/e Lieblingssportler*in ist (oder war)…

Ich habe immer einen riesigen Respekt vor Sir Alex Ferguson gehabt. Nicht nur weil ich Manchester United-Fan bin, sondern: über einen solch langen Zeitraum sich immer wieder neu zu erfinden und immer wieder top-erfolgreich zu sein, finde ich schon eine Riesenqualität.

Von aktiven Sportlern würde ich sagen Cristiano Ronaldo. Er ist ein extrem kompetitiver Typ, er ist nach jedem Training länger geblieben, er war immer der erste beim Training. Ich habe irgendwann einmal einen ehemaligen, portugiesischen Nationalmannschaftskollegen von ihm bei einem UEFA-Kongress getroffen, der mir erzählt hat, dass Cristiano Ronaldo schon in der Jugend so gewesen ist. Wenn sie beim Nationalteam laufen gegangen und bei einer Ampel stehengeblieben sind, hat er mit den Autos, die weggefahren sind, ein Wettrennen gemacht. Das sind dann auch Typen, da geht es in allen Bereichen so. Patrice Evra hat einmal die Geschichte erzählt, wie Rio Ferdinand gegen Christiano Ronaldo im Trainingslager bei Manchester United Tischtennis gespielt hat. Er hat gegen ihn gewonnen; Ronaldo hat das nicht auf sich sitzen lassen können und hat Wochen hinweg daheim Tischtennis trainiert, bis er gegen Ferdinand gewonnen hat. Ich weiß nicht, ob die Geschichte so stimmt, aber es ist sinnbildlich dafür, wie solche Typen geprägt sind; nämlich auf allen Bereichen und nicht nur auf ihre Sportart bezogen. Das ist schon irre, finde ich, diese Einstellung.

 

Mein Lieblingsfußballklub ist…

…Manchester United.

 

Die Super League finde ich…

(lacht) …abstrus. Ich verstehe nicht, was diese Clubs geglaubt haben, was passiert. Wenn man mit so einem Projekt hinausgeht und dann so offensichtlich von dem Gegenwind überrascht ist, sodass man innerhalb von zwei Tagen zurückrudert; also da muss auch in der Planung etwas extrem schiefgegangen sein oder es sind Leute am Ruder, die sehr naiv sind.

 

Die Formel1 auf „Servus TV“ finde ich…

im Großen und Ganzen gut. Ich finde das Studio sehr schön und auch wie sie es nutzen. Es ist vielleicht bedingt durch die Augmented Reality etwas dunkel für meinen Geschmack. Aber die machen das schon gut; sie haben dafür auch die dementsprechenden Möglichkeiten. Noch dazu sind dort natürlich auch Leute, die sich auskennen. Andreas Gröbl ist einer der größten Motorsportexperten in Österreich; war auch bei uns im Fußball aktiv. Christian Nehiba, der auch bei uns war, ist sicher auch ein Top-Sportmoderator.

 

Kommen wir jetzt zur allerletzten Frage. In welche Richtung wirst du dich beruflich entwickeln? Hast du persönliche Ziele für deinen Job, die du noch umsetzen willst?

Generell, wenn man momentan in einer Führungsposition bei einem linearen Fernsehsender ist, mangelt es sicher nicht an Herausforderungen. Diese ganze Transformation, die wir gerade mitmachen und der ganze Gegenwind, der von diversen digitalen Technologien kommt: Da Schritt zu halten, ist jeden Tag eine extrem spannende Herausforderung. Es ist natürlich auch ein wenig belastend, aber man muss aufpassen, dass man das auch positiv sieht. Ich bin froh, dass ich da bin, wo ich bin. Ich würde momentan auch nichts anderes machen wollen. Herausforderungen sind immer auch Chancen.

 

 

Dieses Interview entstand zur Feier des 25-jährigen Jubiläums von BMM im Rahmen von MMF I.

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