Lisa Hotwagner: „Lachen, auch wenn der Wecker um 3 Uhr klingelt“

Projektbeschreibung

Lisa Hotwagner, Morgenmoderatorin beim „Ö3 Wecker“, sprach mit Christoph Toifl und Bernhard Gribitz über die Bedeutung von Musik in ihrem Leben und über die vielfachen Herausforderungen an den Job einer Radiomoderatorin.

 

Wir haben entdeckt, dass deine Lieblingsstadt Hamburg ist. Was hat diese City Besonderes an sich? 

Oh, ihr habt gut recherchiert! Diese Stadt mag ich, weil mein, mittlerweile, Mann, zwei Monate nachdem ich ihn kennengelernt habe, für damals unbegrenzte Zeit nach Hamburg gegangen ist. Wir haben uns überlegt: Sollen wir es lassen? Nur schmusen? Oder sollen wir wirklich eine Fernbeziehung probieren?  Wir haben es probiert und sind dann – die Umwelt wird es uns nicht danken – alle zwei Wochen hin und her gependelt. Deswegen ist Hamburg meine Stadt der Liebe. 

 

Wir haben recherchiert, dass du ursprünglich Kindergartenbetreuerin werden wolltest. Wie kann man sich das vorstellen? Wie bist du von Kindergartenbetreuerin zum Radio gekommen? Oder generell zum Medienmanagement-Studium? 

Grundsätzlich wollte ich etwas mit Menschen machen und die Arbeit mit Kindern im Job habe ich cool gefunden. Auch dieses Kreative ist schön. Mittlerweile muss ich sagen: Ich klopfe auf Holz, dass ich es nicht geworden bin. Jetzt als Mama und die Kindergartenpädagog*innen sehend ist das ein sehr anstrengender Job. 15 oder 20 kleine Kinder für den Mittagsschlaf hinlegen zu können, ist für mich eine Zauberei. Keine Ahnung wie sie das schaffen. Außerdem bin ich überhaupt keine gute Zeichnerin und keine so gute Bastlerin. Deswegen war das nicht unbedingt das Richtige. Und dann bin ich auf Musical gekommen, um etwas mit Stimme und mit Sprache zu machen. Während des Musikgymnasiums habe ich auch Ausbildungen und Kurse zu Musical gemacht. Ich habe dort dann gemerkt, dass ich zwar gut bin, aber nicht gut genug für die erste Reihe. Es hat mir nicht gereicht. Vielleicht habe ich einfach zu früh aufgegeben. Aber irgendwie habe ich gespürt, das taugt mir nicht, und außerdem jedes Wochenende aufzutreten ist für das ganze Leben auch zäh. So bin ich dann über die Berufs- und Informationsmesse zur FH St. Pölten gekommen und dort war das „Campus & City Radio“ ausgestellt und ich habe mir gedacht: Wie geil ist das? An das habe ich noch gar nicht gedacht, das wäre total meins: Radio, Stimme, Sprache ausprobieren. Schnitt, also auch Techniken, habe ich, in Bezug mit Medientechnik, auch länger überlegt. Es interessierte mich sehr und ich habe mich dann für Medienmanagement angemeldet. Ich war bei „SUMO“, beim „Campus & City Radio“ und so bin ich dann in dieses Radiobusiness reingeschlittert. 

 

Man sieht, es war eine gute Entscheidung. Wenn du jetzt an deine Studienzeit oder vorher noch an die Schulzeit zurückblickst: Würdest du sagen, du warst eine gute Schülerin? Oder wie kann man sich dich damals vorstellen? Ich war im Gymnasium eine „Einserschülerin“ und habe mit lauter Einsern maturiert. Ich bin dann zu Hause ausgezogen und wollte einfach nicht mehr. Man muss auch dazu sagen, ich habe zwei große Schwestern, Zwillinge, und die haben beide mit lauter Einsern an unterschiedlichen Schulen maturiert. Das war schon mal eine Vorgabe. Als Jüngste wollte ich da mithalten und die waren dann nicht mehr so nah bei mir. Und da habe ich mir gedacht: Gut, dann ist es eigentlich egal, und ich habe an der FH nicht mehr so brav gelernt. Ich habe mehr gelebt, aber beide Seiten abgedeckt, sowohl das Ausbildungstechnische als auch das Private.

 

Und auch da sieht man, es hat funktioniert. 

Ich muss sagen, jetzt nichts gegen die FH, die hat mir Tür und Tor geöffnet, aber die besten Noten werden dich trotzdem nicht immer glücklich machen oder dorthin bringen, wohin du möchtest. Lernen, sicherlich trotzdem ja, denn ich nehme wahnsinnig viel mit von dem Lernstoff, den ich verinnerlicht habe. Aber wenn du alles ins Kurzzeitgedächtnis reinstopfst und dann eine gute Note schreibst und dann viel vergisst für später oder es nicht anwenden kannst, was du gelernt hast, dann bringt dir halt das ausgezeichnetste Studium nichts.

 

Würdest du jetzt sagen: Das war eines von den Fächern oder von dem Bereich, da habe ich wirklich viel Wissen mitgenommen für heute? 

„Medienlandschaft“. Ich kann die Fächer leider gar nicht mehr betiteln. Professor Jan Krone ist ganz großartig gewesen. Der hat mir so viel Wissen vermittelt. Ich bin hingekommen und wusste am Anfang nicht, dass es diesen Unterschied gibt zwischen öffentlich-rechtlich und privat. Das war schon so ein Einstieg in die Grundstruktur. Im Nachhinein ist es natürlich wirklich Pipifax. Aber als ich in die FH gekommen bin, war mir das alles nicht so klar. Auch diese ganzen Managementfächer bei Wolfgang Römer fand ich sehr gut. Ich wollte zwar zu der Zeit nicht in die Managementebene gehen, aber es zu wissen und Führungsstile durchzumachen habe ich sehr cool gefunden. 

 

Ja, das verstehe ich. Gerade Management macht mir auch sehr Spaß. Wie kann man sich dein Aufnahmeverfahren vorstellen? Weil du gesagt hast, du hast nicht viel Erfahrung gehabt vom Mediensystem? Wir mussten schon ein bisschen Allgemeinwissen zum Medienbereich vorbereiten, wir hatten Corona bedingt eine kürzere Prüfung. Aber normalerweise sind es ja zwei Stunden Prüfungen mit Fachwissen usw. Gab es das? 

Ja, gab es, es war dann so: Wann war der Erste Weltkrieg? Solche Zeitsachen sind abgeprüft worden. Excel war ein bisschen dabei… Meine Herren, das ist ja mittlerweile schon 15 Jahre her!  

 

Wenn du jetzt alles noch nochmal reflektierst: Gab es da so einen Moment, wo du dir denkst, das war am spannendsten, das hat mich so richtig geprägt. Irgendwas, wo du sagst, das war so mein FH-Moment? Na sicher, in dieses Campusradio reinzukommen. Die Technik zu sehen, meine Stimme zu hören und eine eigene Sendung gestalten zu dürfen mit den Inhalten, die ich möchte und vor allem auch mit der Musik, die ich möchte. Weil, jetzt wissend wie Radiobusiness läuft, wo du nicht einen Song auswählen darfst, nichts verändern darfst und dir eine Playlist vorgegeben wird, ist es schon Luxus, die Musik selbst auswählen zu dürfen und dann ins Studio zu gehen und die Lieblingssongs zu spielen.  Dann gab es ein Wochenendseminar, ich weiß nicht mehr bei wem, „Präsentation und Moderation“. Da wurden wir mit der Videokamera aufgenommen und danach wurde alles nochmal analysiert und da bin ich echt gut weggekommen. Ich war immer wahnsinnig nervös bei Präsentationen, aber habe es irgendwie gemocht. Ich war einfach gut darin und es war schön zu sehen, dass das immer besser wird.  

In einer anderen LV hatten wir ein Projekt, da mussten wir in Gruppen ein Event planen. Mit der Vorgabe für ein Unternehmen, dessen Geschäftsführer des Unternehmens dann am Ende die Projekte bewertet hat. Und das war auch wahnsinnig cool. Also alles, was mit Praxis zu tun gehabt hat, wenn man es so zusammenfasst.  

 

Wir haben leider nicht herausgefunden, über welches Thema du deine eine Abschlussarbeit geschrieben ist. Wie bist du auf das Thema gekommen oder was hat dich so fasziniert daran? 

Meine Bachelorarbeit war über Mitarbeiterbindung durch neurowissenschaftliche Büroeinrichtungen. Also wie du Büroräume so gestaltest, dass Mitarbeiter*innen in deinem Unternehmen bleiben. Es war viel Luft, es war Farbe, es war Natur. Ich habe Neurowissenschaften total cool gefunden und was unterbewusst in uns vorgeht, sobald wir einen Raum betreten. Also was Spar macht, was BILLA macht, was viele andere Geschäfte machen, damit wir zugreifen. Meine Überlegung war: Wie kannst du das so auf einen Büroraum umlegen? Das der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin sich bestmöglich wohlfühlt? Sie verbringen fast mehr Zeit im Büro als zu Hause. Es war wirklich kompliziert, ich hätte etwas Einfacheres nehmen sollen. Etwas mit Radioschwerpunkt. Doch, ich habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht damit gerechnet, so schnell Vollzeit zu arbeiten und habe mich nach Schreiben dieser Bachelorarbeit sehr in einen Master diesbezüglich verliebt. Für mich war ganz klar, ich möchte einen Master in diese Richtung machen, also wollte ich noch nicht arbeiten und habe halt dieses spannendere Thema genommen.  

 

Das heißt, geplant war der Master Medienmanagement? 

Ich war schon angemeldet und war schon angenommen und habe dann eben ein Radioangebot bekommen, damals von „Hit FM“.

 

Du hast im Prinzip angefangen bei „Hit FM“…

Eigentlich bei „88.6“.  

 

Dann warst du noch kurz bei „Radio Energy“ und bist seit 2010 bei „Ö3“. Wie ist dieser Einstieg ins Radio verlaufen, wie kann ich mir das vorstellen?

Du meinst, wie ich dahin gekommen bin direkt. In diesem Semester, wo du normalerweise deine Bachelorarbeit schreiben solltest, habe ich begonnen im ORF-Zentrum zu arbeiten, als Back-Stage-Guide. Dort wollte ich natürlich weiter bleiben, weil das Geld konnte ich gut gebrauchen. Ich habe dann dieses Berufspraktikum bei „88.6“ gemacht. „88.6“ hat damals zu „Hit FM“ dazugehört. Dort habe ich begonnen, Verkehrsnachrichten vorzulesen. Und sie haben gesagt: Pass auf, wir hätten bei „Hit FM“ die Position des Sidekicks, die Co-Moderation für die Morning Show. Möchtest du das machen? Das wäre Vollzeit. Aber es ist in Krems. Das war eben dieser Moment, da habe ich dann Vollzeit zu arbeiten begonnen, während ich noch an der Bachelorarbeit geschrieben habe. Das ist leider nicht nur auf positives Feedback bei dem Fach gestoßen, es hat sicher auch Auswirkungen auf meine Note gehabt. Und so bin ich dann eben von meinem Berufspraktikum direkt übernommen worden als Moderatorin bei „Hit FM“ und war dort zirka ein Jahr. Ich bin anfangs jeden Tag von Wien dorthin gependelt und dann musste ich halt trotzdem eine Stunde einrechnen für die Fahrt und wenn die Morning Show um 5 beginnt, dann musst du nochmal früher aufstehen. Ich bin dann jeden Tag um drei Uhr in der Früh über die Autobahn, auch im Winter, wo teilweise noch nicht geräumt ist, hin gependelt. Für den Winter bin ich dann nach Krems gezogen, habe dort niemanden gekannt und war wahnsinnig einsam. Deswegen habe ich irgendwann erklärt: Ich freue mich über den Job und das ist ganz toll. Aber ich selbst, bin nicht glücklich und ich möchte unbedingt in Wien arbeiten. Und bitte, bitte liebes „88.6“, nehmt mich doch zurück, dann muss ich nicht wieder nach Krems pendeln. Das ist nicht so einfach gegangen, die können ja nicht von „Hit FM“ die Moderatorin wegnehmen, woraufhin ich dann gekündigt habe. Am Tag darauf hat mich „Radio Energy“ angerufen: Wir haben gehört, du hast gekündigt, möchtest du nicht zu uns in die Morning Show kommen? Voll gern! Wobei, wenn ich jetzt schon nach Wien komme, dann kann ich es auch gleich bei „Ö3“ probieren. Während meines Studiengangs gab es das Gerücht, dass du dich bei „Ö3“ nur dreimal bewerben kannst. Wenn du es nicht geschafft hast, dann bist du für ein Leben lang gesperrt. Völlig irre! Deswegen habe ich mich immer gedrückt, mich bei Ö3 zu bewerben. Aber wurscht, wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Ich habe meine Bewerbung abgeschickt und bin am Tag danach auf Amerikaurlaub gefahren. In den USA hat sich dann Ö3 gemeldet, obwohl ich schon bei Energy zugesagt hatte. Am ersten Mornigshow-Tag bei Energy hatte ich dann nachmittags mein Vorstellungsgespräch bei Ö3. Ich bin von der Morning Show bei „Energy“ direkt zu „Ö3“ gefahren. Offenbar kein Nachteil, denn im Ö3-Chefbüro habe ich dann gehört: Oh je, wir haben dich in der Früh schon auf „Energy“ gehört. Haben wir dich jetzt schon verloren? Und ich habe geantwortet, es kommt auf das Angebot an. Das Angebot war dann die Moderation der Nachtshow – dort beginnt in der Regel jeder bei Ö3. Also „Nacht“ bedeutet, du hast Dienstbeginn um 22 Uhr oder Mitternacht und das dauert je nach Wochenende oder unter der Woche bis 5 oder 6 Uhr. Das ist schon eine harte Sendungszeit und da habe ich auch überlegt, ob ich wirklich wechseln soll. Bei „Energy“ war es ein großartiges Team, eine gute Zeit. Und da jetzt zu „Ö3“ zu wechseln, wo ich ja nicht weiß, bleibe ich dann in der Nacht oder nicht? Aber manchmal muss man einfach von der Klippe ins kalte Wasser springen. Ich bin dann nach drei Monaten Energy zu „Ö3“ in die Nacht gewechselt.  

 

Und dann ging es bald los in der Morning Show nehme ich an?

Im Oktober 2010 habe ich in der Nacht begonnen. Kurz darauf habe ich die erste Abendsendung, den „Treffpunkt“, bekommen und im Juni oder Juli darauf die Morningshow, also den Ö3 Wecker.

 

Du hast gesagt, du hast in der Nacht angefangen. Kann man sagen, wenn man in der Nacht moderiert, sind jetzt nicht so viele Zuhörer*innen, und man ist ein bisschen „freier“, unter Anführungszeichen? 

Sicher, auch. Du wirst sowohl von dem Publikum als auch von den Chefs und Chefinnen nicht so beobachtet. Du stehst auch nicht so im Fokus wie z.B. im „Wecker“. Da haben wir tatsächlich tägliches Feedback.  In der Nacht hast du das nicht. Deswegen ist es ja so ein bisschen, unter Anführungszeichen, eine „Übungsplattform“. Es ist zwar sehr hart, dort zu beginnen, aber es ist nicht so schlimm, wenn du dich einmal vertust oder wenn mal was schief geht – gerade, wenn du anfängst und eh überfordert bist. Du stehst da vor diesem riesengroßen Mischpult und da gibt es so viele Elemente, die du drücken kannst, unterschiedliche Begriffe, die du verwendest – alles sehr neu. Du bist dann von dieser ganzen Technik und den Möglichkeiten überrollt und das, was du sagst, ist oft das letzte, worüber du nachdenkst. Wie beim Autofahren. Du lernst erst einmal Gas zu geben und die Kupplung zu bedienen. Deswegen war es gut in der Nacht zu beginnen, du probierst dich einfach aus. Und du hast Airchecks. Das sind sozusagen Feedbacktermine, wo du dir entweder mit dem Chef oder expliziten Airchecker*innen die ganze Sendung durchhörst, sowie alle Einstiege, die du machst. Das wird dann ganz genau analysiert – was du gesagt hast, wie du es gesagt hast, wann du es gesagt hast – oder das Timing verbessert, Feedback und Input gegeben. 

 

Das gibt es dann in der Morgenshow gar nicht? 

Das gibt es dann noch immer, aber nicht so häufig! Wir haben bei Ö3 ganz unterschiedliche Airchecker*innen. Es gibt Leute oder Expert*innen, die schauen mehr auf das Timing, auf das Technische, wie gehst du aus einem Song raus, wann beginnst du zu reden, wie klingt deine Stimme, wenn der nächste Song beginnt. Dann gibt es auf der anderen Seite wieder visionäre Leute, die schauen, was sprichst du an, was verknüpfst du, baust du tagespolitische Themen in irgendeinen Nebensatz ein. Am Anfang ist alles noch sehr technisch, damit das einmal Grundstruktur hat und dann geht es mehr ins Visionäre. 

 

Das Feedback kann man dann sehr leicht einarbeiten oder ist es sehr schwer, wenn man sich selbst umstellt? Das Komplizierte am Umstellen fällt mir bei mir selbst auch oft auf. 

Teils, teils. Du darfst nicht vergessen, gerade beim Moderieren gibst du sehr viel von dir her. Es ist alles was du sagst sehr persönlich, wie du es formulierst, welche Wörter du verwendest, was du erzählst, und jede Kritik ist ein bisschen Kritik an dir selbst. Und das hast du in manchen anderen Bereichen, etwa wenn es ums Technische geht, nicht. Deswegen ist es am Anfang auch ein bisschen ein Aussiebverfahren. 

 

Um nochmal den ersten Teil unseres Gesprächs Revue passieren zu lassen: Dir haben deine Erfahrungen aus dem Praktikum-Semester sehr gut geholfen, um in die Branche einzusteigen? 

Das Berufspraktikum war sicher mein Einstieg. Ich weiß nicht, ob mich „Ö3“, ganz ohne Berufserfahrung, genommen hätte. Natürlich toll, wenn du schon etwas weißt und dich ausprobiert hast! 

 

Abseits vom Berufsleben hast du auch ein Familienleben mit der zweijährigen Tochter Flora. Wir haben rausgefunden, dass du bei einem Interview vor etwa eineinhalb Jahren wörtlich gesagt hast: „Nichts kann so schlimm sein, wie das erste halbe Jahr als frischgebackene Mutter“. 

Das ist wahr.  

 

Wie ist das heute: Kann man Arbeit und Familie so vereinen, dass beide Seiten glücklich sind? 

In diesem ersten halben Jahr war ich nicht arbeiten. Ich bin dann wieder On Air gegangen, als Flora sechs Monate alt war. Gott sei Dank konnte ich da schon arbeiten gehen. Ich habe mich sehr darauf gefreut. Das muss ich schon vorwegsagen: Es ist für jede/n anders. Es gibt Elternteile, für die ist das erste Jahr wunderbar und alles läuft rund. Dann gibt es genug, da läuft es gar nicht rund. Wenn du dein Leben so liebst, wie du es gerade führst und dann kommt plötzlich ein kleiner Mensch, der deine gesamte Aufmerksamkeit, deinen ganzen Schlaf und dein ganzes Leben umkrempelt und auf sich zieht, dann ist das einfach hart. Wenn dann auch nicht alles rund läuft – doppelt hart. Ich habe für mich, mein Leben und ich glaube auch für die Zukunft entschieden – und schön, dass da zwei junge Männer bei mir sitzen –, es in Sachen Kinderbetreuung sehr gleich aufzuteilen. Mann und Frau. Papa-Karenz und Mama-Karenz. Für mich war das auch bei meiner Partnersuche ganz wichtig, sowohl was Haushalt oder sämtliche Arbeit betrifft, dass es 50 zu 50 oder manchmal auch 60% zu 40%, manchmal 40% zu 60% gibt. Manchmal mache ich etwas mehr und beim nächsten Mal wieder der andere. Genauso bei Kindern, ich hätte es nicht geschafft wieder arbeiten zu gehen, hätte nicht mein Mann die Flora übernommen. Mein Mann war länger in Karenz als ich und ich halte das auch sehr wichtig für die Generation, die jetzt jünger ist bzw. die jetzt klein ist. Also als gutes Beispiel für meine Tochter oder auch für euch natürlich auch. 

 

Ratschlag von dir?! 

Ein Kind prägt, wenn Mama und Papa zuhause sind und eine Generation formt. Deshalb war es für mich ganz klar ein Ja. Aber da ist auch die Politik gefragt, nämlich auch was Geld betrifft. Es kann nur funktionieren, wenn Papa und Mama in Karenz gehen, und da meine ich nicht 3 Monate für den Papa, sondern gescheit – 6, 10 oder 12 Monate. So konnte ich wieder einsteigen und ja, in der Früh, ich stehe um kurz nach 3 auf und die Flora schläft noch nicht durch – das ist schon schwierig. Aber mittlerweile schläft sie besser und ich schlaf mit Ohropax und mein Mann macht in den Weckerwochen die Nächte allein.  

 

Wie schaut das so aus mit besonderen Momenten? Ich glaube, du hast ja Silvester schon zweimal moderiert.  

Ja, mit Philipp Hansa! 

 

Wie ist das so, ich zum Beispiel bin ein familiärer Mensch. Ich möchte meine Silvester und Weihnachten gerne mit meiner Familie verbringen. Das ist einfach so ein Ritual, verbunden mit Emotionen, das macht man einfach so. Wie ist das, wenn du dann im Radio nicht wirklich mit deiner Familie zusammen bist?  

Das ist ähnlich, wie wenn du Musicaldarsteller*in bist. Es ist auch beim Radio so, dass du dir nie sicher sein kannst, wann du frei hast. Es ist kein 9/5 Job, es ist kein Montag- bis Freitagsjob. Also ich habe heute Sendung ab 6-10 und ich habe am Samstag Sendung von 6-12. Es ist mal so, mal so. Es ist eben die Frühschicht. Nur weil ich um kurz nach 4 im Sender bin und um 11 aushabe, heißt das nicht, dass ich dann den ganzen Tag für mich habe. Ich bin todmüde – einfach nur fertig – und ich geh jeden Tag um 20 Uhr schlafen, wie ein kleines Kind. Also es nicht so ein Beruf, dass du jeden Tag, wenn es schön wird um 17 Uhr dich mit deinen Leuten triffst und dann auf ein Bier gehst. Dafür hab ich jetzt Dienstag, Mittwoch ….. Sonntag frei. Also es ist einfach unterschiedlich.  

 

Muss man sich einstellen darauf? 

Genau! Es nicht einfach so kalkulierbar. Genauso ist es auch bei Silvester. Ich weiß es jedes Jahr nicht, wie ich zu Weihnachten arbeiten muss. Ich muss sehr oft am 24. Dezember und am 26./27. Dezember arbeiten. Dass ich Weihnachtsferien habe, wie viele andere, weil in einem Unternehmen halt Betriebsurlaub ist, das gibt es nicht. Und Silvester ist noch der vergleichsweise familienfreundlichste Dienst. Ja klar, beim Countdown fehlt jemand, mit dem du schmusen kannst, das stimmt. Damit musst du rechnen, aber Muttertags oder an meinem letzten Geburtstag habe ich beispielsweise auch moderiert. Das ist nicht schlimm, das ist halt so. 

 

Gibt es bei solchen Spezialsendungen wie zu Silvester, dass man eine gewisse Auswahl an Leuten hat, von denen jedes Jahr zwei drankommen oder ist das immer variabel? 

Es ist grundsätzlich immer variabel. Du weißt es nie. Aber es gibt schon Präferenzen von den Führungskräften. Die sagen: Ich hätte sehr gerne die beiden wieder und wenn dann einer nicht kann, dann kann man schon Präferenzen äußern. Du kannst sagen, ich hätte gerne XY und die sagen dann Ja oder Nein. Du kannst nichts bestimmen, und es kann jederzeit wer anderer sein. 

 

Wir haben etwas vorbereitet, ein spontanes Experiment. Ich nehme an, da warst du noch sehr, sehr jung, …. jünger zumindest (Lisa lacht laut). Was ist, wenn man die Welt um 20 Jahre zurückdreht?  

Da war ich 13. 

 

Ja, ich weiß. Wie war die Medienwelt damals? Wie kannst du dir das in Erinnerung rufen?  

Damals hat es viel mehr Stars gegeben. Es gab nicht so viele Kanäle, über die du Medieninhalte konsumieren konntest. Das heißt, du hast immer die gleichen Gesichter gesehen, immer die gleichen Stimmen gehört. Das ist jetzt gar nicht negativ, sondern du konntest früher, glaube ich, „leichter“ ein Superstar werden. Weil sich viel mehr auf dich zentriert hat. Heute ist das schwerer. Heute gibt es A, B, C, …F-Promis, weil dieser Markenaufbau nicht mehr so zelebriert wird wie früher und weil du viel mehr Kanäle hast, wo du berühmt werden kannst. Es wird einfacher und gleichzeitig auch schwerer, du hast „YouTube“, „TikTok“, „Instagram“. Das ist eine ganze Menge – aber halt auch für ein viel heterogeneres Zielpublikum. Vor 13 Jahren habe ich schon ganz genau gewusst… ich überlege gerade, ob Robert Kratky schon moderiert hat. Zumindest war er, glaube ich, schon der „Vignettenman“. Ich bin auf jeden Fall, laut meiner Erinnerung mit Robert im Radio aufgewachsen. Ich weiß, ich war ganz jung und habe gesagt: Wer ist denn der witzige Typ da im Radio. Ich habe aber nicht gerechnet, dass ich einmal neben ihm stehe. Also ja, ich finde, da waren viel größere Namen, als es heute sind.  

 

Wahrscheinlich Leute, die länger berühmt waren als heute gerade in der Musiklandschaft. Heute sind da Musiker drinnen, die zwei, drei Lieder rausbringen, aber dann war’s es wieder. 

Du brauchst mittlerweile kein Label, es gibt zu Hause so viel tolle Ausstattung, wo du dich selbst produzieren kannst. Nur wenn du selbst alle Möglichkeiten hast, weißt du nicht, wo du hingehen sollst. Es ist nicht nur gut und nicht nur schlecht.  

 

Was meinst du, hat sich die Medienwelt enthierarchisiert? Wir meinen diese Start Up’s, diese kleinen Firmen, viele Podcasts, die oft nur von zwei Leuten betrieben werden und im Internet hochgeladen werden. Auf der anderen Seite die großen Medienhäuser, wo es wirklich diese hierarchischen Stufen gibt – vom Geschäftsführer abwärts – gerade in der Medienbranche in Österreich. 

Das glaube ich nicht. Ich glaube, es gibt immer noch die ganz großen Medien-Player, aber dass es vielfältiger geworden ist. Wenn man sich die Zugriffszahlen von Podcasts anschaut, ist es halt nicht die breite Masse, die einen Podcast hört. Ich finde Podcasts sehr cool, sie sind ganz klar ein Trend. Nur ist dann auch wieder die Frage: Wann hören die Leute Podcasts? Dass sie sich hinsetzen und etwas nur Auditives hören ist selten. Wenn, dann schauen sie fern oder benutzen online Mediatheken bekannter heimischer Medienunternehmen. „Netflix“ und „Amazon Prime“, „Disney+“, aber auch die ORF TV-Thek und so. Die sind sicher Riesengewinner, On- Demand ist auf jeden Fall Teil unserer Zukunft. Ich glaube schon, dass Podcasts ihre Vorteile haben, weil du etwas hören kannst, wann du willst und zu welchem spezifischen Thema du willst. Für lange Fahrten mit dem Auto sind sie gut geeignet. Wobei du müsstest dafür wieder weniger städtisch sein, dass du Podcasts hören kannst, sonst ist die Strecke zu kurz, aber gerade für Pendler ist das natürlich interessant. Aber ich glaube, in Österreich hast du halt noch immer diese ganz großen Player, diese großen Medienhäuser. Die Zeitungsverlage auf der einen Seite, auf der anderen den ORF.  

Ich glaube nicht, dass diese Hierarchien mittlerweile aufgesprengt werden. Aber ich glaube, dass die Großen mehr nach links und rechts schauen müssen: „Ah, was ist das für ein Podcast, in welche Richtung geht denn das und wie sind dann da die Zugriffszahlen? Oder wie werden ‚TikTok‘-Videos gemacht, wieso funktionieren die? Wie lange sind die? Wie lange ist die Aufmerksamkeitsspanne?“ Das hat sich sicher verändert. „Wie ist das mit den Jungen und was für eine Lebensvorstellung wird verkauft?“ Wenn man sich die Befragungen und Erhebungen anschaut, was denn junge Menschen wollen, dann kommt da immer öfter Familie, Tradition, Sicherheit, Freiheit, soziale Kontakte. Das war in der Generation vor mir noch anders.  

 

In welche Richtung wirst du dich persönlich entwickeln? Würdest du jetzt sagen: Ja, das Radio generell würde mir noch mal 5 oder 10 Jahre gefallen oder bist du da eher flexibel, was die Zukunft angeht? 

Also Radio würde mir sicher noch 5 bis 10 Jahre gefallen. Ich habe früher auch gedacht, das Fernsehen würde mich sehr reizen. Würde es grundsätzlich auch, aber die Sache ist, beim Radio bist du wahnsinnig flexibel. Im Radio kannst du, wenn sich was tut, sofort dazu On Air gehen. Im Fernsehen brauchst du immer die passenden Bilder. Außerdem: mit Musik zu arbeiten, aus dem Musicalbereich und von einem Musikgymnasium kommend, war mir einfach schon immer sehr wichtig! 

Gerade der „Ö3 Wecker“ verbindet für mich persönlich so viele Dinge, die schön sind. Nämlich dieses Spontane und mit Musik und im Team zu arbeiten. Auch im Fernsehen, wenn du Beiträge schneidest, bist du alleine unterwegs. Du machst dieses Thema und schneidest es dann mit einem Cutter oder einer Cutterin und bringst es auf Sendung. Ich habe aktuell einen Job, wo ich mindestens einmal am Tag einen Lachkrampf hab‘! Ich merke das auch immer, wenn ich mich mit meinem Mann vergleiche. Der muss viel öfter „seriös“ sein 😉. Ich habe einfach echt gute Freunde um mich herum und da fände ich es fast überheblich zu sagen, ich möchte etwas anderes machen. Aber ja, Stillstand ist grundsätzlich nicht gut. Ich weiß nicht, ob ich nicht noch irgendetwas studiere, jetzt mit der Kleinen ist das zeitlich allerdings gerade nicht möglich.  

 

Was würde dich am Ehesten interessieren, was du studieren wollen würdest? 

Psychotherapie. Unternehmenskommunikation habe ich überlegt. Aber Psychotherapie und mentale Gesundheit würde mich glaube ich sehr interessieren. 

 

Machen wir zum Abschluss einen kleinen Wordrap!  Welche Gedanken habe ich jetzt noch zur FH St. Pölten? 

Wehmütige Gedanken, ich wäre gerne wieder einmal dort und würde gerne wieder in dieser Studienzeit sein. Viel Lernen, viel Freiheit, viele Freund*innen.  

 

Das erste was du machst, wenn du von der Arbeit heimkommst? 

Händewaschen, in Coronazeiten (lacht), was essen und schlafen. 

 

Wie ich meinen freien Tag am liebsten verbringe? 

Lange schlafen. Schlafen ist ein Riesenthema bei mir. Kinderfrei, bekocht, vielleicht mit Kartoffelknödeln, abhängig vom Wetter, rausgehen, irgendetwas unternehmen und dann „Netflix“ „bingen“. 

 

Sportlich, in die Richtung Radfahren oder sonst irgendwas? 

Durch Corona nichts mehr, aber Volleyballspielen war ich sehr viel früher. 

 

Das wollte ich immer schon einmal machen… 

Es gibt sicher vieles. Ich würde gerne einmal auf den Opernball gehen. Das war ich noch nie, obwohl: Wahrscheinlich würde es mich dort dann sehr nerven. Ich möchte unbedingt einmal nach Schottland und Whiskey trinken, ich finde Irland schon so schön. 

 

Und noch zu guter Letzt, das schlimmste oder witzigste Hoppala in meiner Medienzeit ist? 

Ein Hoppala fällt mir jetzt nur ein. Das ist schon vier, fünf Jahre her, wo „Silbermond“ bei uns am Sender waren und ich habe mit Stefanie Kloß, der Frontfrau, ein Interview aufgenommen.  Ich habe das Mikrofon von meinem Kollegen in die Hand gedrückt bekommen und das Interview mit ihr geführt, mit einer Überraschungsaktion und ihr etwas vorgespielt, wo man halt eine spontane Reaktion braucht. Danach schauen wir, und es hat nicht aufgenommen. Mehr als unangenehm, weil diese Spontanität nicht drauf war und ich bin dann reumütig zu ihr gegangen, habe mich entschuldigt und gesagt, könnten wir es nochmal machen und du schauspielerst für mich. Sie war wahnsinnig nett und hat gesagt: „Sicher machen wir das“.  

 

 

Dieses Interview entstand zur Feier des 25-jährigen Jubiläums von BMM im Rahmen von MMF I.

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