Elisabeth Sonnleitner: „Alles was ich tue, ist dazu beizutragen, unabhängigen Journalismus zu finanzieren“

Projektbeschreibung

Katharina Tauber und Viktoria Ecker im Interview mit Elisabeth Sonnleitner, Teamleiterin für Content Marketing und Publishing beim ÖGB Verlag über die Faszination für Journalismus und die Verpflichtung die Rahmenbedingungen dafür zu sichern, über die Freude der Wissensaneignung und -vermittlung und Mut zu Pausen und Innehalten.

 

Wenn du auf einer einsamen Insel stranden würdest, welches Buch würdest du dir dorthin mitnehmen und warum?

Falsche Frage, weil ich dieses Jahr bereits 87 Bücher gelesen habe. Deshalb ist es echt sehr schwierig, ein Buch auszuwählen. Die Antwort wäre daher wahrscheinlich der Kindle, um eine möglichst große Auswahl zu haben. Was mich derzeit sehr stark interessiert, ist der Bereich Verhaltensökonomie. Dazu gibt es viele Publikationen aktuell, weil es derzeit ein It-Thema vor allem in Kombination mit Gamification ist. Ich lese derzeit sehr viel von Brené Brown, wo es um Führungsthemen geht. Privat lese ich derzeit „The House of the Spirits“ von Isabel Allende und würde es mit auf die Insel nehmen, weil ich gerade mitten drinnen bin.

 

Wow, also ich wünschte, ich hätte auch so viel Zeit, so viele Bücher zu lesen…

Der Trick ist es, Hörbücher zu hören und sich langsam an doppelte Geschwindigkeit ranzutasten. Dann geht das sehr gut.

 

Danke für den Tipp! Wenn du auf deine Zeit als Studentin zurückblickst, mit welchen drei Worten würdest du deine Studienzeit beschreiben?

Abwechslungsreich, stimulierend und verbindend.

Abwechslungsreich insofern, als dass man durch die verschiedenen ausgewählten Schwerpunkte, durch das große Angebot an Freifächern, durch die Ausbildungsmedien wirklich viele Schwerpunkte hat, die man für sich definieren kann. Ich habe zum Beispiel für „SUMO“ geschrieben, auch die Chefredaktion einige Zeit innegehabt, habe dann genauso ein Freifach zur Content-Formatentwicklung gemacht, was etwas komplett anderes war. Andererseits habe ich auch mal in die Produktion reingeschnuppert und ich hatte eine Vertiefung zu strategischem Management und Kostenrechnung. Das Angebot reicht von bis. Das ist auch das Schöne und Stimulierende, weil es nie langweilig wird und man sehr gut herausfinden kann, wo die persönlichen Interessen und Stärken liegen. Oft ist es auch so, dass man in einem Bereich sehr gut ist, aber dafür z. B. auch ein Budget aufstellen können muss und das haben wir auch gelernt.

Ich habe zuerst überlegt, herausfordernd zu sagen, weil es gab schon auch so Situationen, in denen ich mir gedacht habe: „Puh… ich weiß gar nicht, wie das jetzt weitergeht“. Aber das Schöne waren gerade diese Aufgabenstellungen, wo du zuerst keine Ahnung hattest, wie du das löst. Daran bist du am meisten gewachsen. Ich erinnere mich an eine Gruppenarbeit, für die wir unzählige Bücher zu strategischem Management gelesen haben und die Theorie auf ein echtes Unternehmen umlegen mussten. Es hat für uns aber einfach keinen Sinn gemacht. Der Dozent darauf: „Ja, das ist die Lösung. Das ist Theorie und in der Praxis wirst du draufkommen, dass du nicht alles so anwenden kannst.“

Das dritte Wort verbindend: Ich habe jetzt noch immer sehr viele Kontakte zur FH, zu Studienkolleg*innen, zu Lehrenden und anderen Leuten, die dort arbeiten. Das ist schon eine sehr prägende Phase des eigenen Lebens. Es sind halt Connections, die man doch fürs Leben knüpft.

 

Das haben uns viele Dozent*innen auch gesagt. Die Menschen, die wir hier treffen und mit denen wir uns hier verbinden. Diese Begegnungen werden uns im späteren Leben einmal sehr nützlich sein.

Absolut. Wenn du in einen Kontakt in eine Branche brauchst, mit der du selbst schon zehn Jahre nichts zu tun gehabt hast, kennst du Leute, bei denen du einfach nachfragen kannst. Oder man läuft sich bei Events ohnehin über den Weg, also das ist schon sehr angenehm und hilfreich.

 

Dann würde uns noch interessieren, ob du dich noch erinnern kannst, was du werden wolltest mit 10 Jahren bzw. generell als Kind?

Das hat sich immer wieder sehr stark verändert. Ich weiß noch, als Kind habe ich immer gedacht ich möchte Verkäuferin bei unserem Eurospar werden. Unbedingt an der Kassa, weil ich dachte, dass das recht lustig ist. Bis mir bewusst wurde, dass das eigentlich ein sehr herausfordernder Job ist. Mit zehn wollte ich Lehrerin werden und dieser Bereich ist insofern ein bisschen aufgegangen, weil ich nebenberuflich an der FH tätig bin. Also Wissensvermittlung habe ich immer super spannend gefunden. Ich weiß ja heute, was ich damals an der FH gebraucht hätte oder was ich damals nicht verstanden habe. Heute habe ich die Chance, Dinge selbst zu verbessern. Gleichzeitig ist es für einen selbst cool, motivierte Studierende kennenzulernen. Auch das sind Kontakte. Gleichzeitig pusht man sich auch selbst, dass man sich ständig weiterentwickelt und weiterbildet. Diese Branche ist eine so unglaublich dynamische. Wäre ich auf meinem Wissen aus dem Studium sitzen geblieben, dann hätte das für zwei Jahre wahrscheinlich gut funktioniert, aber dann wäre ich irgendwann angestanden. Durch das Unterrichten ist man irgendwie ein bisschen gezwungen, sich tiefgreifend mit Dingen zu beschäftigen und immer am Laufenden zu bleiben.

 

Nachdem du Lehrerin gesagt hast. Wie kamst du dann darauf, letztendlich Medienmanagement zu studieren?

Ich hatte mit 16 so einen Drang alles zu wissen, was es auf der Welt nur geben kann. Ich habe gemerkt, dass  es  so viele spannende Themen gibt wie z. B. Feminismus und politische Bildung. Dann habe ich mir gedacht: „Wie cool es wäre bei einem Medienunternehmen zu arbeiten, wo ich dafür bezahlt werde, dass du ich mich mit Dingen gut auskenne?“ Ich war von der journalistischen Seite getriggert, weil ich während der Schule schon bei der „NÖN“ im Lektorat in meiner Heimatstadt nebenbei gearbeitet hatte. Ich fand diese Newsroom-Dynamik immer cool. Im Rahmen des Bachelorstudiums bin ich darauf gekommen, dass der journalistische Alltag mit meinen privaten Bedürfnissen und Zielen nicht so gut zusammenpasst. Aber ich habe immer gewusst, dass ich im Medienumfeld tätig sein will, weil es für mich einfach unglaublich wichtig ist, dass wir unabhängige Medien haben und das bedeutet auch sehr stark finanzielle Unabhängigkeit. In meinem letzten Job etwa hat alles, was wir gemacht haben, dazu beigetragen, unabhängigen Journalismus zu finanzieren z. B. durch die Konzeption neuer Werbeprodukte. Heute verbessere ich durch unsere Medienprodukte die Arbeitsbedingungen von Menschen in Österreich und stärke ihre Rechte. Die richtige Kombination für mich ist in der Branche zu arbeiten, in der ich arbeiten will, und dass die Arbeit auch mit meinen Erwartungen an ein gutes Leben zusammenpasst.

 

Das finde ich sehr spannend, weil ich persönlich und auch viele in meinem Umfeld bis zum Zeitpunkt der Matura gar nicht wussten, wohin es gehen soll.

Ja, ich bin in der Medienbranche auch ein bisschen zufällig gelandet, indem mich eine Bekannte für das Korrektorat bei der NÖN empfohlen hat. Ich bin immer ganz ehrfürchtig im Newsroom gesessen, weil ich so aufgeregt war. Die Schreibworkshops bei „SUMO“ mit der „Presse“ haben das noch einmal übertroffen: Wir bekamen dort eine Newsroom-Führung und der Journalist gab richtig hartes Feedback. Also das, was du sonst nie kriegst.  Das war wirklich unangenehm, aber zur persönlichen Weiterentwicklung extrem wichtig. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, sind das schöne Momente, bei denen ich noch immer ein bisschen Gänsehaut bekomme.

 

Weil wir gerade eben bei den schönen Momenten sind: Was war für dich der prägendste Moment an der Fachhochschule beziehungsweise welcher Moment ist dir am stärksten in Erinnerung geblieben, egal ob positiv oder negativ?

Das prägendste Erlebnis war tatsächlich das vorhin beschriebene Gruppenprojekt, bei dem wir festgestellt haben, dass die Fachliteratur hier keinen Sinn macht. Ich glaube, das war mein absoluter Wissenszenit, an dem ich gemerkt habe, alles aus dem Studium fügt sich zusammen. Deshalb war das Projekt auch erst im 5.Semester, denn es dauert ein bisschen, bis das Ganze einen Sinn ergibt. Damals habe ich mir gedacht: „Wenn du ein Standardwerk der Fachliteratur in Frage stellst und dein Dozent sagt, das macht Sinn und ist berechtigt: Dann muss sich die Ausbildung schon ausgezahlt haben.“ Das war ein absolutes Highlight.

 

Das ist doch was Schönes!

Es gab auch viel Frust und schlaflose Nächte davor, das muss man natürlich auch dazu sagen. Aber auch, dass es dann so eine schöne Auflösung gab.

Dann waren auch solche Settings, wo man im Sommersemester auf der Terrasse der Mensa Gruppenpräsentationen gehalten hat, weil es diese Flexibilität gab. Auch jede Feier, die wir in St. Pölten hatten, war sensationell. Menschen, die ich dort kennengelernt habe, mit denen ich nicht studiert habe, mit denen arbeite ich jetzt teilweise beruflich zusammen. Auch wenn man es damals nicht als Networking Event hätte bezeichnet können, kommen die Dinge trotzdem immer wieder zusammen.

 

Deinem damaligen Curriculum konnten wir entnehmen, dass du eine zweite Fremdsprache ab dem 1. Semester hattest. Welche Sprache hast du gelernt? Und hast du dadurch jetzt Vorteile in der Berufswelt?

Ich habe Russisch gewählt und ich muss sagen, das war das einzige, wo ich ein bisschen faul war. Ich habe Russisch schon in der Schule gehabt und in Russisch maturiert. Entsprechen war das eher so nach dem Motto „Selbstläufer“. Ich war damals in einer AHS und konnte schon über Kunstwerke und Museen auf Russich sprechen und durch die FH z. B. auch über einen Geschäftsbericht. Ich glaube, im Businessumfeld habe ich Russisch noch nie gebraucht. Aber ich mag Fremdsprachen, von dem her war es okay.

 

Du hast schon gesagt, dass du dich ein Jahr lang im Freifach „SUMO“ engagiert hast. Was ist dir aus dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben beziehungsweise was war dein Highlight?

Da gab es echt viele und jede produzierte Ausgabe war ein Highlight. Vor allem auch für ein Team an Menschen verantwortlich zu sein. Ein Highlight war eine Kollegin aus einem ganz anderen Studiengang, die ein vollkommenes Talent dafür hat, Texte zu schreiben und zu fotografieren. Sie nutzt das jetzt auch beruflich.

In der Schlussproduktion sich im SUMO-Kammerl „einzusperren“ ist wirklich fordernd, weil sich ein Drucktermin wirklich ausgehen muss und es ist ein Wahnsinn, dass es sich jedes Mal ausgeht. Im digitalen Bereich hat man diese harten Deadlines meistens nicht. In Print gibt es keine Ausreden, das muss einfach da sein.

 

Warum hast du dich dazu entschieden, deinen Master in Digital Mediamanagement ebenfalls an der FH St. Pölten zu absolvieren?

Ich habe lange überlegt: Einerseits war ich mir nicht sicher, ob ich einen spezifischen Bereich vertiefen oder etwas ganz anderes machen möchte. Andererseits habe ich damals überlegt, auch ein Auslandssemester zu machen und da fand ich die Partnerhochschulen der FH sehr spannend. Der dritte Punkt war, dass ich mir auch andere Masterstudiengänge angeschaut habe und bei einem zum Beispiel auch ein Problem mit der Deadline für die Anmeldung hatte. Die Conclusio war dann weiterzumachen. Ich habe nach meinem Praktikum im sechsten Semester eine Fixanstellung bekommen. Das war die Bestätigung für meine Entscheidung, weil ich dort weiterarbeiten und meinen Studienabschluss konnte, ohne z. B. nach Innsbruck oder Klagenfurt pendeln zu müssen.

Ich habe Schwerpunkte gewählt, welche die Ausbildung gut abrunden. Damals habe ich bewusst Finance und Mergers & Acquisitions gewählt, weil mir bewusst war, dass ich mich damit auskennen muss. Auch wenn ich Zahlen davor immer gehasst habe. Ich habe mich sehr bewusst für Vertiefungen entschieden, vor denen ich mich davor ein bisschen gedrückt habe, weil sie in der Praxis relevant sind.

 

Hast du den Masterstudiengang berufsbegleitend absolviert, wenn ja, wo warst du zu dieser Zeit tätig?

Ich habe bei der „Styria Media Group“ gearbeitet, konkret beim „WirtschaftsBlatt“. Das ist ein Medium, das es heute leider nicht mehr gibt. Es war damals Österreichs einzige Wirtschaftstageszeitung und ich habe mein Praktikum zuerst wirklich bei der Printzeitung gemacht und bin dann in den digitalen Bereich gewechselt. Während dem Master habe ich im Projektmanagement die Gründung eines neuen Tochterunternehmens durch Fusion begleitet. Die Dinge ändern sich so schnell, damals hat sie „Styria Digital One“ geheißen, heute heißt sie „COPE Performance Group“ und vom Prinzip her wurden damals alle digitalen Vermarktungseinheiten, das heißt, der digitale Verkauf und die technische Entwicklung innerhalb der ganzen „Styria Media Group“ in Österreich, gebündelt. Das waren fünf bis sieben Unternehmen. Wir sind damals mit etwas mehr als 50 Personen gestartet und das alles aus dem Boden zu stemmen, war schon ein großes Ding. Ich habe es aber dann geschickter Weise mit meiner Masterarbeit kombiniert, weil das einfach sehr viel Sinn ergeben hat. Das war sehr spannend, weil das Studium teilweise im Job hilfreich war und umgekehrt ich Inputs aus der Arbeit in den Unterricht einbringen konnte.

 

Klingt aber auch herausfordernd!

Ganz ehrlich, ich glaube, es gab keine berufliche Phase meines Lebens, die anstrengender war als zu studieren und intensiv beruflich zu arbeiten.

 

Wenn wir nochmal auf das Thema Pflichtpraktikum zurückkommen. War dir bereits von Anfang an bewusst, dass du dein Pflichtpraktikum im Bereich Print absolvieren möchtest, oder wie hat sich das für dich ergeben?

Eigentlich dadurch, dass ich nicht gecheckt habe, wie das Bewerbungsverfahren bei „Axel Springer“ funktioniert. Weil die Rückmeldung ewig lange gedauert hat, bin ich nervös geworden und hab von einem Dozenten den Tipp bekommen, dass bei der „Styria Media Group“ gerade ein echt großes Projekt ansteht und ich mich doch initiativ bewerben könnte. Das hat tatsächlich geklappt und ich habe ein Vorstellungsgespräch bekommen, wo mir dann erst dort das Projekt vorgestellt wurde. Das Ganze war der Relaunch von „Wirtschaftsblatt.at“, das heißt der Website. Insofern war ich immer an der Schnittstelle zwischen Print und Digital. Ich bin tatsächlich immer zwischen Redaktion und Online-Verkauf gewechselt, einfach weil das Auswirkungen auf beide Bereiche hat. Darum hat der Job für mich auch so gut gepasst, weil ich beides kennenlernen konnte. Ich habe teilweise auch, wenn ich freie Ressourcen hatte, zum Beispiel die Online-Redaktion unterstützt. Ich wurde auch zu jeglichen Dingen mitgenommen, wie den Redaktionskonferenzen, jeder Blattkritik und auch dem Relaunch der Zeitung. Dabei wurde das Design von einem sehr bekannten internationalen Zeitungsdesigner, Mario Garcia, der aus New York eingeflogen wurde, gestaltet. Es war einfach sehr cool, mit externen, international renommierten Teams zusammenzuarbeiten, die sich ausschließlich auf Website-Projekte im Medienbereich spezialisiert haben.

 

Das klingt auf jeden Fall sehr spannend. Du hast bereits erwähnt, dass du nachher direkt weitergearbeitet hast. Wie verlief der Einstieg in den ersten regulären Job?

Mein Projekt war mit dem Praktikum abgeschlossen. Ich habe das Feedback bekommen, dass man mit meiner Arbeit sehr zufrieden ist. Dennoch war die Frage, wie es nun weitergeht, da Projekte auch nicht einfach aus dem Boden sprießen. Ich habe dann ein Hopping zwischen mehreren „Styria“-Töchtern gemacht. Aber ich habe immer mit derselben Führungskraft gearbeitet, die für die Newsportale der „Styria“ verantwortlich war. Ich hatte sehr viel Glück, war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hatte mit der Person auch wirklich einen guten Mentor, der – das klingt jetzt vielleicht etwas eingebildet – ein gewisses Potential bei mir erkannt hat. Ich hatte gleichzeitig die Möglichkeit, sehr viel von ihm zu lernen.

 

Gab es letztendlich einen Grund, warum du nach fünf Jahren gesagt hast, dass du das Unternehmen verlassen und dich umorientieren möchtest?

Das war eine Entscheidung, für die ich lange gebraucht habe und bei der mein Herz immer noch ein bisschen blutet. Es war wirklich ein Gehen im Positiven und ich bin jetzt noch auf Feiern des Unternehmens eingeladen, sehe jetzt noch meine alten Vorgesetzten und Kolleg*innen. Warum ich gedacht habe, dass es Zeit für den nächsten Schritt ist? Ich habe alle Personen sehr gut gekannt und ich habe gewusst, wie es funktioniert und ich habe mir die meisten Ziele auch selbst gesetzt. Ich hatte da sehr viel Freiraum. Andererseits habe ich mir dann gedacht: Was ist, wenn ich kein so unterstützendes Umfeld habe? Was ist, wenn mich und meine Vorschläge einfach jemand nicht mit offenen Armen empfängt, weil sie mich so lange kennen und mir vertrauen? Du bist dann in vielen Situationen gar nicht mehr so gepusht, weil es irgendwann Routine wird.

Ganz ehrlich, wäre ich älter gewesen, wäre ich wahrscheinlich immer noch dort. Aber wenn man nicht einmal 30 ist, dann ist es auch irgendwie gesund, dass man sich ein anderes Unternehmen anschaut, eine andere Unternehmenskultur kennenlernt und andere Aufgaben hat. Dass man wirklich schaut, wie funktioniere ich, wenn ich in einem anderen Arbeitsumfeld bin und alles erst aufbauen muss. Das war dann auch die Challenge. Es war zuerst nicht 100% klar für mich, wohin genau. Ich habe damals auch sehr viel überdacht, dass das jetzt der richtige Schritt in der Karriere sein muss. Im Endeffekt habe ich mich ganz bewusst dazu entschieden, eine Auszeit zu nehmen und bin drei Monate durch Südamerika gereist. Ich habe so viel Energie und so viel Motivation aus dieser Zeit für meinen nächsten Job mitgenommen. Also ich würde das auch allen Menschen empfehlen, so etwas mal zu machen.

 

Nach der „Styria“ und nach deiner dreimonatigen Pause bist du zum ÖGB Verlag gewechselt. Wie bist du auf die Stelle beim ÖGB Verlag aufmerksam geworden und was hat dich dazu bewogen, für das Unternehmen zu arbeiten?

Ich hatte mit dem ÖGB Verlag durch den FH-Unterricht Kontakt. Ich habe damals die Lehrveranstaltung „Content Management Case Studies“ geleitet und dafür die Geschäftsführerin Iris Kraßnitzer für einen Gastvortrag eingeladen. Ich habe damals festgestellt, dass diese Frau es ziemlich drauf hat und wahnsinnig klug ist. Einige Zeit später wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass dort gerade ein neues Team aufgebaut wird und gefragt, ob ich daran Interesse hätte. Ich war mir zuerst noch überhaupt nicht sicher. Aber dann habe ich mir gedacht: „Why not? Wenn es mir nicht gefällt, kann ich immer noch kündigen.“ Und das Schöne war der Gedanke, ein neues Team aufzubauen und vor allem immer mit der Vision im Hinterkopf, dass man sich jeden Tag für die Rechte der Arbeitnehmer*innen einsetzt. Das ist etwas, wo ich mir denke: Da hätte ich schon die Motivation, dafür jeden Tag aufzustehen. Das ist auch heute noch so.

 

Du bist beim ÖGB Verlag Teamleiterin für Content Marketing und Publishing. Wie würdest du deinen Arbeitsalltag in dieser Position beschreiben?

Derzeit haben wir einige Stellenausschreibungen in Vorbereitung. Es gibt gerade viele Mitarbeiter*innengespräche, wir schauen uns sehr stark das Thema interne Prozesse und internes Wissensmanagement an. In meinem Zuständigkeitsbereich sind viele crossmedialen Zeitschriftenprojekte, also Print-Produkte, Websites, Newsletter, Social Media-Auftritte, Podcasts. Meine Aufgabe ist es das Zusammenspiel dieser Kanäle zu optimieren. Wie kann ich diese Medienprodukte miteinander vernetzen? Wie kann ich die Learnings von einem Projekt in das nächste einfließen lassen? Es geht darum Vorlagen, Standardisierungen, externe Kontakte u. v. m. zusammenzuführen und weiterzuentwickeln.

 

Sehr spannend. Was werden die gravierendsten Entwicklungen in Ihrem Unternehmen in der nächsten Zeit sein, deiner Einschätzung nach?

Der Bereich, den ich jetzt übernommen habe, ist einer, wenn nicht der größte Wachstumsbereich, den wir haben. Das heißt, dieser wird auf jeden Fall weiter ausgebaut. Wir pitchen jetzt etwa für ein großes Projekt. Corona-Auswirkungen spüren wir natürlich auch, wie vermutlich fast jedes Unternehmen. Wir haben das jetzt einfach als Anlass genommen, um uns interne Prozesse anzuschauen: Wie können wir verschiedenste Themen besser aufsetzen? Das heißt aber auch, Produkte neu und effizienter zu kalkulieren. Wenn ich zum Beispiel in Richtung Social Media denke, dann beschäftigt mich und mein Team natürlich schon das vorhergesagte Ende der Third Party Cookies. Und welche Werbemöglichkeiten wir dann eigentlich noch haben werden. Das heißt jetzt ist der Fokus, dass wir unsere Datenbasis ausbauen, dass wir direkt zu verschiedensten Daten kommen, zum Beispiel E-Mail-Anmeldungen und so weiter. Das wird sicher etwas sein, was unser Unternehmen weiter beschäftigt.

 

Wir haben auf deinem LinkedIn-Profil gesehen, dass du dich immer noch an der FH St. Pölten engagierst, und zwar als Lektorin. Wie kam es dazu, dass du Lehrbeauftragte für “Case Studies, Content Management” sowie “Projekt- und Risikomanagement von Medienprojekten” an der Fachhochschule St. Pölten geworden bist?

Das Ganze hat gestartet, indem ich von einem Department-Assistenten bezüglich eines Gastvortrags bzgl. Set-up von Website-Projekten angefragt wurde. Das hat gut funktioniert und wir haben das weiter ausgebaut. Im nächsten Schritt habe ich dann die Projektmanagement-Lehrveranstaltung übernommen. Der alte Vortragende hat diese zurückgelegt und ich kannte ihn gut. Er hat mich und eine Freundin gefragt, ob wir das nicht gemeinsam übernehmen wollen. Dann sind wir sozusagen proaktiv zur FH mit diesem Vorschlag. Die FH hat sich gefreut, denn wir hatten bereits Unterrichtserfahrung, wurden von einem Experten empfohlen, sie müssen sich keine Gedanken machen. Und so hat das von einem zum nächsten geführt.

 

Wie ist für dich das Unterrichten vor Studierenden? Du hast ja bereits gesagt du wolltest das schon als Kind. Ist es so wie du es dir vorgestellt hast?

Es ist sehr unterschiedlich. Zwischen Anwesenheit und Distance Learning ist schon ein massiver Unterschied. Was ich normalerweise viel mache, ist verschiedene Unternehmen zu besuchen. Ich denke mir, dass es sehr wichtig ist, zu sehen, wie andere Unternehmen arbeiten und dass man dort die Leute kennenlernt. Wir haben jetzt zwar auch viele Gastvorträge, aber es ist viel mehr Distanz über den Bildschirm. Ich bin echt sehr beeindruckt, wie gut die Studierenden das meistern. Aber ich sehe schon auch eine sehr starke Belastung für die Studierenden. Es stellt natürlich mich als Lehrende auch vor neue Herausforderungen, wenn man Blockunterricht von sechs Einheiten hat. Wie kann ich den Unterricht so gestalten, dass die Konzentration und Motivation der Studierenden aufrecht erhalten bleiben? Ich würde deshalb schon sagen, dass es herausfordernder ist. Aber es sind auch mehr Ideen entstanden. Vom ersten Jahrgang habe ich schon das Feedback, dass sie den Unterricht sehr gut fanden, weil wir viel mehr Gruppenarbeiten gemacht haben. Jetzt bin ich gespannt, was der aktuelle Jahrgang sagt.

 

Klingt aber trotzdem schön und man muss auch einfach das beste aus der Situation machen.

Genau. Ich glaube, das gilt für alle Situationen. Einerseits nehme ich schon wahr, wie anstrengend das für die Studierenden ist, gleichzeitig hatte ich noch keinen Jahrgang, der so gut im Zeitmanagement war. Sonst gibt es immer jemanden, der eine Minute vor Mitternacht abgibt. Das ist okay, denn es ist innerhalb der Deadline. Aber diesmal geben die Leute so viel früher ab und ich habe das Gefühl, dass die Leute sich vom Zeitmanagement her sehr viel weiterentwickelt haben.

 

Wir hätten nun auch ein paar persönliche Fragen an dich. Wir haben natürlich dein LinkedIn-Profil angeschaut und versucht, ein bisschen was über dich herauszufinden. Und zwar wollten wir dich fragen, wie du generell in deiner Freizeit Medien rezipierst und welches Nutzungsverhalten du hast. Du hast ja bereits vorhin erzählt, dass du gerne am Kindle liest. Wie setzt du das in deiner Freizeit so um?

Bei mir gibt es schon einen Unterschied zwischen vor und während Corona. Während Corona ist meine Mediennutzung deutlich abgeflacht. Ansonsten: Ich bin ein bisschen altmodisch, ich schaue jeden Abend die ZIB. Zwar nicht immer synchron, sondern manchmal auch später, aber ich finde es sehr praktisch, die wichtigsten News einmal am Tag zu hören. Vor Corona habe ich auf dem Weg zur Arbeit einen Nachrichtenpodcast gehört, um mich einfach ein wenig berieseln zu lassen. Sonntags habe ich mir früher öfters eine Zeitung gekauft und auf der Couch gelesen. Das hat sich ein bisschen verändert, mein Nachrichtenkonsum ist jetzt fast nur noch digital, obwohl ich mich witzigerweise parallel während Corona entschlossen habe, ein Zeitungsabo abzuschließen. Und sonst startet meine Nachrichtenrezeption meist auf Social Media. Das heißt, ich besuche eigentlich selten direkt Nachrichten-Websites. In den Mittagspausen im Homeoffice scanne ich schnell Branchen-Newsletter.

 

Wie versuchst du generell einen Ausgleich zu deinem Arbeitsalltag zu finden. Liest du gerne ein Buch oder gehst du lieber spazieren? Oder hast du andere Hobbies?

Ich gehe bouldern, mehrmals die Woche. Das ist wirklich etwas, wo ich komplett abschalten kann. Man muss sich immer auf ein Problem konzentrieren und kann in dem Moment nicht an etwas anderes denken. Außerdem ist es mit einem Schreibtischjob sehr sinnvoll eine gute Rückenmuskulatur aufzubauen. Und ich habe auch noch Höhenangst, das ist dann auch immer ein Kick, mich je nach Tagesverfassung unterschiedlich stark zu pushen. Das ist sehr motivierend. Ansonsten lese ich sehr viel. Einerseits Bücher für die Arbeit, aber auch sehr viel Belletristik. Ich bin auch bei einem Buchclub dabei, wo wir uns hoffentlich auch bald wieder in echt sehen werden, um Bücher zu diskutieren. Ich teste auch grundsätzlich gerne Lokale. Spätestens seit Südamerika, aber auch davor, bin ich sehr viel gereist. Das wird hoffentlich bald wieder zurückkommen. Intensiv arbeiten ist okay, aber man sollte trotzdem ganz bewusst Pausen setzen, sich gut erholen und komplett abschalten.

 

Apropos Reisen: Wir konnten herausfinden, dass du bereits zweimal als Au-Pair im Ausland warst. Wie bist du darauf gekommen und was war das, wovon du am meisten profitieren konntest?

Das erste Mal war direkt nach der Schule. Ich wusste da schon, dass ich Medienmanagement studieren will und hatte mit der FH abgeklärt, dass ich erst ein Jahr später starte. Ich habe mir bereits nach der Schule gedacht: „Das war jetzt schon sehr intensiv. Ich weiß nicht, ob ich mit diesem Energieniveau in eine neue Lebensphase starten will.“ Ich wollte sowieso immer ins Ausland und da gibt es verschiedenste Möglichkeiten. Zuerst habe ich an ein Volontariat gedacht, da muss man aber bereits einen gewissen finanziellen Polster haben. Frisch von der Matura kommend, hatte das eher nicht. Ich wollte sowieso schon immer mein Englisch perfektionieren. USA war auch immer schon sehr reizvoll für mich. Dann dachte ich mir okay Au-Pair – why not. Ich habe während der Schule sehr viel Nachhilfe gegeben, immer wieder auf Kinder aufgepasst und habe mir gedacht, auch wenn ich jetzt nicht vorhabe, Kindergartenpädagogin zu werden, könnte ich mir vorstellen das zu machen. Das ist was ganz Spannendes, weil gerade in den USA gerät man in einen Kulturkreis, der sehr anders ist. Es wirkt oberflächlich alles sehr ähnlich, ist de facto aber sehr anders. Ich habe auch echt einen Kulturschock erlebt.

Viele Dinge sind wirklich cool. Du bekommst College-Kurse bezahlt, das heißt, ich habe währenddessen auch verschiedene Fächer studiert, habe dadurch viele Leute kennengelernt und auch verschiedenste Reisemöglichkeiten gehabt. Da sah ich, wie gut Bibliotheken in den USA ausgestattet sind im Vergleich zu Österreich. Ansonsten habe ich sehr viele andere Internationals kennengelernt. Matura-Englisch ist schon ganz gut, aber eröffne mal ein Bankkonto. Und dann stellst du noch fest, du wirst mit Schecks bezahlt und du denkst dir, was mache ich mit einem Scheck?! Das sind Dinge, die haben zur Selbstständigkeit beigetragen, weil ich doch in einer sehr kleinen Stadt aufgewachsen bin. Allein Wien war am Anfang schon so überfordernd. Und dann wirst du in New York City ausgespuckt und man hat am ersten Tag das Gefühl: Ich kann nicht mal um einen Häuserblock gehen, ich finde sonst nie wieder ins Hotel zurück. Du bist gezwungen, dir ein soziales Netz aufzubauen, denn du kennst niemanden und du kannst nicht ein Jahr mit Zeitunterschied nur deine Freund*innen und Familie von zu Hause haben. Das war dann auch für das Studium sehr wichtig, weil ich gewusst habe, wie ich mir ein Netzwerk mit netten, sympathischen Leuten aufbaue. Gleichzeitig bedeutet das auch ganz viel Selbstständigkeit, ich habe gelernt alleine einen kompletten Haushalt zu schmeißen, zu arbeiten, meine Finanzen zu verwalten. Alles Dinge, die dann in weiterer Folge sehr wichtig waren.

Das zweite Mal als Au-Pair – dann in Spanien – war eigentlich eher ein glücklicher Zufall. Ich bin wirklich bei der besten Familie gelandet. Da hatten wir auch beruflich zufällig viele Schnittpunkte. Mein Gast-Papa unterrichtete damals an einer Universität in Barcelona Marketing und Innovation, und ich habe ihn in weiterer Folge auch als Speaker für ein Event für meine Arbeit in Wien organisiert. Viele Dinge haben sich hier sehr gut ergänzt.

 

Wie ist das für dich, deine Karriere in der Medienbranche und dein Privatleben zu vereinen. Kannst du einen Strich ziehen und sagen: Ab hier bin ich privat?

Das ist definitiv etwas, was ich lernen musste. Zuerst war es schon so ein: Ich will, ich muss mich beweisen. Zuerst hat sich das in Form von ganz hoher Arbeitsmoral und langen Arbeitsstunden ausgedrückt. Dann bin ich draufgekommen, man kann auch sehr viel in weniger Arbeitszeit leisten und wird deshalb nicht schlechter gesehen.

Mein berufliches Handy nutze ich zwar auch privat, das heißt, ich wäre theoretisch auch um 23:59 erreichbar. Aber ich lese schon bewusst am Wochenende keine E-Mails mehr, auch am Abend ganz bewusst nicht. Ich habe ab 21:30 eine Sperre auf meinem Handy eingerichtet, das heißt, ich muss für jede App händisch die Sperre deaktivieren und ich sehe auch keine Benachrichtigungen mehr. Ich bereite mich jetzt viel besser auf meinen Arbeitstag vor. Früher bin ich in den Tag gestürzt, habe in der U-Bahn schon E-Mails gelesen, Telefonate erledigt um das meiste aus dem Tag zumachen. Jetzt gehe ich das viel entspannter an und habe mehr das Gefühl, es geht darum, dass ich mental gut vorbereitet bin. Ich starte mit einem Spaziergang, Meditation, Kaffee und erst dann geht es mit dem Arbeitsalltag los. Ja, es gibt immer Phasen, wo viel los ist, aber es gibt ein paar Rituale, die mir helfen, dass der Stress nicht überhand nimmt.

 

Bevor wir zum Ende unseres Interviews kommen, möchten wir mit dir einen Word Rap machen. Das bedeutet, wir geben einen Satzanfang vor und du vervollständigst ihn so, dass der Satz für dich persönlich passt. Mein Morgenritual besteht aus …

Meditation, Spaziergang, Kaffee und Hörbuch.

 

An meinem Job mag ich …

die absolute Vielfalt an Aufgaben und die unterschiedliche Flughöhe der Themen.

 

Für meine berufliche Zukunft wünsche ich mir …

Gelassenheit.

 

Das hebt meine Stimmung …

das sind so viele Dinge … bewusste Auszeiten.

 

Meine Wunschdestination ist…

Südamerika (als eine Destination von vielen).

 

Diese Sprache möchte ich auch gerne fließend sprechen können…

Spanisch. Ich habe mir Spanisch selbst beigebracht und lese gerade mein erstes spanisches Buch: „Der kleine Prinz“.

 

Abschließend möchten meine Kollegin und ich Sie noch fragen, ob Sie für uns als Medienmanagement-Studentinnen und auch für zukünftige Student*innen einen Rat haben für die Studienzeit.

Das ist ganz einfach: Macht euch weniger Druck. Es gibt keine falschen Entscheidungen oder Entscheidungen, die nicht mehr umkehrbar sind. Ich hatte immer das Gefühl, es gibt einen richtigen Weg, den ich durch ganz viel Analyse und Überlegungen herausfinden muss, denn sonst habe ich mir alles im Leben verbaut, wofür ich gearbeitet habe. De facto ist es so, dass ich festgestellt habe, die meisten Dinge ergeben sich zufällig. Manchmal führt dich nicht der direkte Weg hin, das heißt aber nicht, dass du nicht einen anderen Weg findest oder nicht 100.000 andere Wege dorthin führen.

 

 

Dieses Interview entstand zur Feier des 25-jährigen Jubiläums von BMM im Rahmen von MMF I.

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